Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Sei ganz Ohr! – (D)ein Hirtentalent

Jesus Christus spricht: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme.“ (Joh10,11a.27a)

Wie wichtig sind doch unsere Ohren. Wir müssen gar nicht viel tun – sie einfach auf Empfang stellen. Zuhören! Aufmerksam sein, wahr- und ernstnehmen was wir hören, was es gerade braucht, was die Menschen um uns herum brauchen. Wie oft sind wir nur mit einem Ohr dabei? Hören gar nicht richtig hin, weil wir gedanklich schon den nächsten Punkt auf unserer To-Do-Liste abhaken oder uns Unerledigtes im Kopf rumschwirrt.
Hören wir richtig hin! So können auch wir in unserem Alltag zu guten Hirten und Hirtinnen werden – ganz ohne Hütehund, Stecken und Stab, ohne Fachkenntnisse, ohne große Herde.
Hören wir, was einander bewegt, welche Sorgen und Nöte den Alltag unserer Mitmenschen belasten. Schenken wir ihnen eine freundliche Stimme, ein zugewandtes, offenes Ohr. Kleine Dinge, die uns nur ein bisschen Zeit und Zuwendung kosten, die aber Großes bewirken können. Sie können helfen, dass ein Mensch nicht verloren geht – weil er sich gehört, vielleicht sogar verstanden fühlt.
Menschenhüten und Menschenführen wie Schäfchen? Kann das denn sein? Hier und da erleben wir das alle. Wir unterstützen Kinder und Enkelkinder beim Großwerden in unserer Welt, mit den Herausforderungen des Alltags. Wir begleiten Familie und Freunde, trauern und leiden gemeinsam und halten Schmerz zusammen aus. Wir übernehmen Verantwortung im Job, in der Schule und Zuhause, bewältigen bürokratische Anforderungen und stehen einander mit Ratschlägen und helfender Hand zur Seite. Überall dort, wo wir uns bemühen einander nicht aus dem Blick zu verlieren, sondern auf uns achten, so dass niemand verloren geht, überall da wird der Geist des Guten Hirten in unserem Alltag auch heute spürbar.

Liebe Schwestern und Brüder, also sein wir ganz Ohr – damit Mangel zu Fülle, Angst zu Vertrauen und Hoffnungslosigkeit zu Mut werden kann!

Nadja-Elena von Storch

Nadja-Elena von Storch

Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Barkhausen

Weiße Weihnachten!

Weiße Weihnachten! Das ist der Wunsch vieler Kinder und natürlich auch vieler Erwachsener. 
Aber warum heißt der Tag heute der „Weiße Sonntag“? Mit Schnee hat das natürlich nichts zu tun! In den frühen Jahrhunderten der Kirche wurde vorwiegend am Ostersonntag und vor allem Erwachsene getauft. Wie auch heute noch üblich, bekamen die Täuflinge dazu ein weißes Taufkleid. Am Sonntag nach Ostern trugen sie dieses Taufkleid. So entstand vermutlich der Begriff „Weißer Sonntag“. 
Es geht dabei nicht um ein Verkleiden. Die Christen sollen Jesus Christus ähnlich sein, das Leben soll dem Glauben entsprechen. Das heißt nicht „naseweis“ und ständig belehrend, sondern im besten Sinne „vorbildlich“. Jesus als Vorbild für das eigene Leben folgen. Die Taufe an Ostern verbindet darum symbolisch zwei Dinge: Die Taufe als Neubeginn des Lebens aus dem Glauben und Ostern als das Fest der Auferstehung. 
So beginnt mit der Taufe das Leben, wie ein unbeschriebenes Blatt neu. Und ein Neubeginn macht doch Mut! Im Evangelium wird heute vom „ungläubigen“ Thomas gesprochen, der sich die Auferstehung nur vorstellen kann, wenn er Jesus selbst sieht und seine Hände in die Wunden legen könnte. Als der Auferstandene ihm dann begegnet, bekennt er schnell „Mein Herr und mein Gott.“ Ein persönlicher Neubeginn und Wendepunkt in seiner „Karriere“ als Apostel.
Ostern ist das Fest des Neubeginns. Aus dem Dunkel des Todes strahlt das Licht des Lebens und dieses Licht, das Hoffnung und Neubeginn widerspiegelt, brachten die weißen Gewänder zum Ausdruck. Viel schöner als weiße Weihnachten ist doch die Aussicht auf etwas ganz Neues, das auch in uns beginnt. 

Jakob Jan Küchler

Jakob Jan Küchler

Pastor am Dom zu Minden

Ostern 2024 – Hoffnungskraft im Krisenjahr

Man könnte meinen, es werde immer schlimmer: Der Krieg gegen die Ukraine ist im dritten Jahr und noch immer kein Ende in Sicht. Inzwischen ist noch ein Krieg in Israel und Palästina dazugekommen. Alles wird teurer. Und nun sind auch noch die Rechtsextremen auf dem Vor­marsch: Mit einfachen Ant­wor­ten zu den aktuellen Krisen schüren sie Angst auf dem Rücken von Fremden und Minderheiten. Die freiheitlichen Grundrechte sind be­droht. Die Menschen­ver­äch­ter haben mit ihren einfachen Bot­schaf­ten leichtes Spiel, weil sie die Ängste und Sorgen in schwierigen Zeiten be­dienen. Die multiplen Krisen vergrößern die Verunsicherung und verengen die Sicht. Auch Kirche ist gerade mit vielen inter­nen Problemen und deshalb viel mit sich selbst be­schäf­­tigt: Ihr Umgang mit sexu­alisierter Gewalt, Finanzkrise, Personalmangel, Mitglie­der­schwund, Umbau des kirchlichen Lebens. Klar, das alles ist wichtig. Aber wenn Angst vor der Be­deutungslosigkeit die Kirche leitet, wird sie bedeutungslos, weil sie so verliert, was sie ausmacht und an Ostern fei­ert. Wer braucht denn in den Krisen unserer Zeit auch noch eine Kirche, die sich in ihren eigenen Krisen zu verlieren scheint?! Man hat ja auch noch seine ganz privaten Krisen und Nöte. Und doch wird wie­der Ostern – auch 2024, auch in unserem Land, auch in der Kirche. Auch für jede und jeden persönlich kann in 2024 Ostern werden: neuer Lebens­mut und fri­sche Hoffnungskraft.

Wie das gehen kann, zeigt eine uralte Osterge­schichte im Lukasevangelium: Vor drei Ta­gen haben sie Jesus am Kreuz hinge­rich­tet. Mit seiner Botschaft von Gottes Liebe zu allen Men­schen störte er schon da­mals die Mächtigen. Sie bereiten ihm und seiner gerechten Sache ein jähes En­de. Zwei sei­ner Freunde kehren der Ge­mein­schaft der eingeschüchterten Jün­ger enttäuscht den Rücken. Sie gehen zurück ins alte Leben, das sie einst für Je­sus verließen in Erwartung eines neuen Lebens in einer gerechteren Ge­sell­schaft. Doch jetzt ist alles aus und vorbei. Jesu Freundeskreis ist nur noch ein ver­ängstigtes Häufchen Elend, nur mit der eigenen Angst befasst. Aus dieser Gemeinde treten sie aus, traurig und ent­täuscht. Auf ihrem Weg begegnen sie dem aufer­standenen Jesus Christus. Sie erkennen ihn aber noch nicht. Er gibt sich als Frem­der. Interessiert fragt er nach dem Grund ihrer Traurigkeit und begleitet die beiden auf ihrem perspektiv­losen Weg. Er hört ihren Klagen zu und hält ihre Ent­täu­schungen aus. Aber zu­gleich weitet er ihren verengten Blick: das Leiden war nicht umsonst; da ist noch verborgener Sinn; der Tod hat nicht das letzte Wort, da ist noch neues Leben. Seine Worte tun ihnen gut, auch wenn sie noch nicht viel ver­steh­en. Dann wird es Abend, und sie kommen in ihr Dorf: Emmaus. Die bei­den laden Jesus zu sich nach Hause ein. So zei­gen ausgerechnet sie, die doch als erste aus der „Kirche“ aus­traten, worauf es bei Kirche eigent­lich an­kommt: Gastfreund­schaft mit Fremden; eine offene Tür für andere, die nicht aus dem Blick geraten, wenn man selbst gerade in der Krise steckt. In dieser Hal­tung macht Jesus die bei­den stark: Er nimmt Platz an ihrem Tisch. Er dankt Gott für das tägliche Brot, das für viele nur selbstver­ständ­lich und inzwischen viel zu teuer geworden ist. Und dann teilt er es unter ihnen, weil alle satt werden sollen. Mitten in ih­rer Krise gewin­nen die beiden den Blick für das Geschenk des Lebens, das sie Gott wieder dan­ken können. In diesem Mo­ment erkennen sie ihn: den Auferstandenen mitten un­ter ihnen. Gottes Treue zum Leben ist doch größer als ihre Ent­täu­schung, stärker gar als Tod und Trauer. Sie erkennen: im Teilen erschließt sich neues Leben. Trauer weicht der Zuversicht, Angst dem Vertrauen in das Leben. Jesus lebt und zeigt sich in der Gemeinschaft derer, die für das Leben danken und es mit ande­ren teilen können. Voll Osterfreude laufen sie nun den Weg zurück, um mit den anderen ihre neue Hoffnung zu teilen. Aus dem enttäuschten Rückzug ins Priva­te wird eine neue Gemeinschaft: Kirche am ersten Os­ter­tag.

„Emmaus“ gibt es auch bei uns. Ostern kann auch 2024 geschehen. „Emmaus“ – so heißt z. B. eine Pflegeeinrichtung der Diakonie Stiftung Salem in Minden. Der Name dieses Hauses ist Programm für Diakonie und Kirche ins­ge­samt: Auch für Menschen in ihrer letzten Lebenszeit gibt es Hoffnung auf neu­es Leben. Jesus Christus ist auch für sie auferstanden, damit niemand ohne Hoff­­nung leben muss – in keiner Krise des Lebens, auch nicht in dessen letzten Abschnitt. Diakonie will nicht nur mit guter Fachlichkeit dienen. Hier arbeiten Haupt- und Ehrenamtliche auch seelsorglich. Sie begleiten Menschen auf ihrem Weg, hören zu und nehmen Anteil, so wie Jesus auf dem Weg damals. Sie dan­ken für das Leben und teilen ihre Hoffnung aus. So kann sich der Auferstandene zeigen, wo Menschen offen bleiben für andere und sie einladen, Glauben und Le­bens­mut mit ihnen zu teilen. Ostern ereignet sich da, wo bei allen Ängsten und Ent­täu­schungen die Hoffnung offengehalten wird. Auf Karfreitag folgt Ostern, auf den Tod das neue Leben. Dadurch ist noch kein Friede in der Ukraine. Die Geis­eln sind noch nicht frei und das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung geht noch weiter. Aber es ist wieder Ostern geworden. Mut und Hoffnung sind in 2024 nicht nur verzwei­felt oder naiv, sie haben einen Grund: Jesus lebt und ist als Kraft zu neuem Lebens­mut mitten unter denen, die Hoffnung teilen. Das Kreuz ist nicht das Ende, sondern Zeichen der Hoffnung geworden. Das wird im Foto vom Kreuz und den Osterglocken angedeutet. Ich habe es am Ostersonntag 2023 auf dem Mindener Nordfriedhof aufgenom­men. Wer an Ostern die Auferstehung Jesu feiert, kann aufstehen gegen Men­schen­­verächter, die nur an die Macht von Tod und Gewalt glauben und Hass und Angst schüren. So kann Kirche erkenn­bar werden, indem sie lebt, was sie Ostern feiert – und indem sie einlädt zu feiern, was das Leben ausmacht. So wie am 22. Mai, dem Vorabend des 75. Geburtstags des Grund­ge­setzes. Dann feiern der Ev. Kirchenkreis und die Stadt Minden eine Geburts­­tagsfeier für das Grund­gesetz und die Barmer Theologische Erklä­rung. Dieses wichtige Doku­ment im Kampf der Ev. Kirche gegen den Na­tio­nal­sozialis­mus wird nämlich am 31. Mai 90 Jahre alt. Nähere Informa­tionen finden Sie auf der Homepage des Kirchenkreises. Wir wollen das Leben feiern und der Menschen­ver­ach­tung und Ausgrenzung widerstehen. Auch 2024 können wir Ostern feiern!

Ich wünsche Ihnen ein frohes, zuversichtliches und gesegnetes Osterfest!

Michael Mertins

Michael Mertins

Superintendent, Evangelischer Kirchenkreis Minden