
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es weiterhin wie gewohnt in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus neuerdings auch hier.
Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte
Eine Menge Gedenken an so viel Fürchterliches begleitet unsere letzten Wochen. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich den Überblick verliere. Allen voran der Krieg in der Ukraine, der nun schon seit einem Jahr und einer Woche uns täglich hässliche Bilder und immer wieder neuen Schrecken liefert. Aber da war doch auch vor wenigen Wochen erst das Gedenken an die Befreiung von Auschwitz und auch an den dritten Jahrestag des Attentates von Hanau wurde gerade erinnert. Nicht zu vergessen die Toten der hoffentlich jetzt bald zu Ende gehenden Coronazeit. Das folgenreiche Erdbeben in Syrien und der Türkei verschwindet auch so langsam wieder aus den Medien und damit aus dem Bewusstsein. Ja, das Gedenken ist wichtig und wir sollten all das nicht vergessen. Manchmal kommt es mir aber so vor, als ob ich daran abstumpfe. Es passiert eben doch so viel. Als ich letzte Woche in Berlin am Breitscheidplatz über die LKW-Sperren gestiegen bin, da fiel es mir erst vor Ort wieder ein, was vor ein paar Jahren dort geschehen war. Vielleicht musste ich das erst vor Augen kriegen, um zu gedenken.
In den Kirchen wird diese Woche der Gottesdienst zum Sonntag „Reminiscere“ gefeiert. „Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte“. Wahrscheinlich ist es gut, nicht nur all der fürchterlichen Dinge in unserer Welt zu gedenken, sondern einfach Gott zu bitten, dass er an uns denken möge. Dann wird es uns auch guttun, zu wissen, dass er auch an alles das gedenkt, was andere und oft genug auch wir in dieser Welt falsch machen. Wir sollten all dieser Dinge gedenken in dem Glauben, dass Gott in Jesus Christus all das gelebt und überwunden hat.

Hendrik Rethemeier
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinden Buchholz und Ovenstädt
Krieg und Christentum
Für einen Christen stellt sich im Ukraine-Krieg die Frage: Was ist vertretbar? Pazifismus, Selbstverteidigung oder gewaltsamer Widerstand?
Schaut man ins Neue Testament, so scheint Jesus diese Frage gar nicht im Blick zu haben. Die Frage nach innerer und zwischenmenschlicher Vergebung war das Thema Jesu: Verachtete Zöllner, die verräterisch im Auftrage der Römer handelten, versöhnend wieder in die Gemeinschaft der Juden und Christen zu integrieren.
Dass der Konflikt zwischen Juden und Römern eines Tages wieder zu Krieg und Aufstand führen würde, war Jesus klar und er sagte die Zerstörung Jerusalems und des Tempels voraus. Das heißt: Zumindest im Frieden, auch im gespannten Frieden, kann man ruhigen Gewissens Pazifist sein. Jesus selber ist diesen Pazifismus bis zum Tod gegangen.
Die ersten vier Jahrhunderte nach Jesu Tod reagierten die Christen pazifistisch, mischten sich nicht in Politik ein, zeigten allerdings Charakter, wenn es um ihren Glauben ging. Wenn der römische Kaiser verlangte, sich – ihm als Gott – zu opfern, dann sagten manche Christen nein, was ihnen das Leben kostete.
Das änderte sich allerdings, als Christen in hohe Verantwortung kamen und plötzlich selber entscheiden mussten, was das größere Unrecht war, wenn alle Verhandlungen gescheitert waren, einen Staat oder ein Land zu verteidigen oder dem Angreifer nachzugeben.
Dass der Angriff eines Volkes auf ein anderes verboten war, war klar. Dass sich auch viele christliche Regierende nach diesen Maßstäben nicht gerichtet haben, ist ebenso klar und unbestritten.
Vielleicht kommt man der Frage nach, ob man Gewalt im äußersten Fall, wenn nichts anderes mehr geht, auch mit Gewalt beantworten kann, näher, wenn man in die jüngere deutsche Geschichte sieht. Während des Dritten Reiches hatte sich ein Kreis von einflussreichen Personen gefunden, die die Judenvernichtung und die Angriffskriege Hitlers nicht mehr mit ansehen und auch nicht mehr vertreten konnten. „Kreisauer Kreis“ nannten sie sich nach dem Ort, wo sie sich oft trafen Es waren Männer in politischer Verantwortung, die bereit waren, auch unter Verlust des eigenen Lebens ein Selbstmordattentat zu vollbringen. Wichtige Namen dieser Widerstandsgruppe waren der Jesuit Alfred Delp, Helmuth James Graf von Moltke, Carl Dietrich von Trotha und Claus Graf Schenk von Stauffenberg.
Am 20. Juli 1944 hatte der Offizier von Stauffenberg bei einem Treffen mit Hitler in der „Wolfsschanze“ eine Bombe in einer Aktentasche deponiert. Die Bombe ging hoch, Hitler blieb unverletzt, alle Mitglieder der Gruppe wurden getötet. Graf Schenk von Stauffenberg wurde in Berlin-Plötzensee an einem Fleischerhaken aufgehängt.
Ich glaube, dass es auch gerechte Gewalt geben kann, wenn ein ganzer Vernichtungskrieg beendet werden kann durch Menschen, die dafür ihr Leben riskieren.
Wolfang Ricke, Klinikpfarrer
Johannes Wesling Klinikum

Wolfang Ricke
Klinikpfarrer Johannes Wesling Klinikum
Gott glaubt an Dich!
Gott sprach zu Mose: Du sollst mein Volk aus der Gefangenschaft befreien. Geh zum Pharao und sag ihm, dass er es gehen lassen soll. Und dann führe das Volk Israel aus Ägypten heraus. Mose dachte: „Das schaff ich nie! Ich kann mich nicht gut ausdrücken. Was soll ich nur sagen? Der Pharao wird nicht auf mich hören. Er wird mich auslachen. So wie ich spreche, hört niemand auf mich.“ Aber Gott ließ nicht locker. Gottes Antwort auf Moses Selbstzweifel lesen wir im 2. Buch Mose, Kapitel 4 Vers 11: „Der HERR sprach zu ihm: Wer hat dem Menschen den Mund geschaffen? Oder wer hat den Stummen oder Gehörlosen oder Sehenden oder Blinden gemacht? Habe ich’s nicht getan, der HERR?“
Gottes Antwort ist verblüffend. Kein Drängen, kein „Reiß dich zusammen, du schaffst das schon!“. Stattdessen weist Gott darauf hin, dass in seinen Augen unsere scheinbaren Schwächen und Einschränkungen keine sind.
Weil Gott die Menschen geschaffen hat, so wie sie sind, sind sie gut so, ohne Wenn und Aber – Hörende wie Gehörlose, Sehende wie Blinde, Wortgewandte wie die, die mit dem Sprechen ihre Mühe haben.
Für die Arbeit in der ev. Gehörlosenseelsorge ist das eine wichtige Grundlage:
gehörlose Menschen sind ebenso Gottes Geschöpfe, wie Hörende. Und zwar nicht „irgendwie“, als seine behinderten Kinder neben den „normalen“, sondern auf Augenhöhe.
Aus Gottes Worten an Mose klingt etwas heraus, was Mose angesichts seiner Selbstzweifel offensichtlich vergessen hatte: Gott traut Mose etwas zu.
Als Gottes Kindern, als seinen Geschöpfen gilt diese Zusage auch uns. Wie Eltern, die ihren Kindern etwas zutrauen und so ihr Selbstvertrauen stärken, so will Gott auch uns ermutigen.
Blicken wir selber nur auf unsere Schwächen und Misserfolge, machen wir uns klein. Aber Gott sieht mehr in jeder und jedem von uns.
Gottes Botschaft an uns alle lautet:
Nimm dich selber an – mit allen scheinbaren Schwächen und Stärken. Du bist gut so, wie du bist. Ich glaub an dich, denn ich habe dich geschaffen, wie du bist.

Pfarrer Christian Schröder
Landeskirchlicher Beauftragter für Gehörlosenseelsorge in der EKvW und Gehörlosenseelsorger in den Kirchenkirchenkreisen Herford, Minden und Lübbecke