Mein Lieblingsurlaub: In die Pedale hängen und ab die Post – egal wo und wohin, am besten direkt von zu Hause und einfach drauf los. Gleich vor der Haustür steht die weite Welt offen, findet sich immer ein Pfad, auf dem ich Gottes Natur mit allen Sinnen genießen kann, ungestört von motorisierten (fossil oder regenerativ hin oder her) Zeitgenossinnen. Außer dem Stand der Sonne, der Richtung der Flüsse und gutem Pfadfindergespür brauch‘ ich nur eins: die Türme der Kirchen, die auf dem platten Land als Erste die Lage von Dörfern und Städten verraten.
Gerade im Urlaub können Menschen Kirchen als Wegweiser entdecken, auf der Suche nach dem Woher, Wohin und Wofür des persönlichen Lebens. Kirchen ermöglichen Identität auf mehreren Ebenen, für die persönliche Identität der einzelnen Menschen wie für die kollektive Erfahrung als Gemeinschaft. Mehr als eine Immobilie, sind sie ein Symbol, das Zusammenhalt stiftet, über den individuellen Rahmen hinaus in familiären, nachbarschaftlichen und kommunalen Bezügen. Immer wieder erinnern sie uns daran, dass das Leben mehr ist als was wir vor Augen haben und mehr als das, was wir durch Leistung, Geld oder Zufall erringen.
Wie die fünf Finger einer Hand zeichnen die markanten Türme der alten Kirchen Mindens ein beeindruckendes Panorama des reichen historischen Erbes unserer Stadt, das Besucherinnen von weither anlockt. Als Symbol für die Fundamente des christlichen Glaubens – Glaube, Hoffnung, Liebe – und als Symbol für die tragenden Werte unserer Gesellschaft – Solidarität mit Bedürftigen, Respekt vor anders Denkenden und anders Glaubenden, Gewissensverpflichtung auf Gerechtigkeit und Wahrheit – sind und bleiben sie gerade auch in unserer pluralistischen Zeit das, als was sie einst gebaut worden sind: Wegweiser zum Himmel – und damit zum Leben. Für uns alle. Gerade auch im Bewusstsein der Kirchen, selber immer wieder in die verkehrte Richtung gelaufen zu sein und zu laufen.
Andreas Brügmann
Pfarrer an der Offenen Kirche St. Simeonis