Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Lieder ohne Grenzen

Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Psalm 98,1
Die Seele liebt Musik. Die Seele will singen und tanzen – nicht immer nur bei freudigen Anlässen, sondern auch bei Trauer, Sehnsucht, Hoffnung und Liebe.
Zu Ostern habe ich in einer Wohngruppe mit demenzkranken Menschen einen Ostergottesdienst gehalten und erkannte schon nach dem ersten Psalmgebet, das ich betete, dass die Worte niemand von den ZuhörerInnen wirklich erreichte. Manche redeten dazwischen oder gingen ihrem Bewegungsdrang nach und liefen im Raum umher. Doch dann erklang das erste Lied: „Unser Leben sei ein Fest!“ und die verwirrten Menschen wurden ruhig und entspannten sich! Sie sangen mit! Ihr Altgedächtnis erinnerte sich an den Text und sie sangen diesen zu der ihnen bekannten Melodie. Herrlich! Die Musik kann die Seele bewegen, die Musik bleibt im Kopf. Musik berührt uns. Musik beruhigt uns, schon die Mutter sang ihren Kindern ein Schlaflied. Teenies verschlimmern ihren Liebeskummer mit traurigen Balladen und glauben fest daran, dass es Ihnen hilft. Menschen erdulden Sklaverei und Rassismus durch die Heilkraft ihrer spirituellen Musik. Musik verbindet Menschen, macht es einfacher Schicksalsschläge auszuhalten. Es gibt Melodien, die weltweit gespielt und gesungen werden und da ist überhaupt nicht wichtig, welche Nationalität der Komponist hat.
Musik kennt auch keine Grenzen! Wir singen im Gottesdienst zum Lobpreis an unseren Gott, nicht nur am Sonntag Kantate. Wir singen dann gemeinsam für Gott, jeder auf seine Weise. Ob schön oder schief, ob laut oder leise, ob allein oder im Chor. Singen befreit und macht einfach Spaß. Singen weckt Gefühle. „Ein Lied kann eine Brücke sein“, sang schon Joy Flemming beim European Song Contest 1975, welches als Kultlied des ESC bis heute gilt. Eine Brücke von Mensch zu Mensch, von Mensch zu Gott.
Denn wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder! (Sprichwort nach Gedicht von Gottfried Seumes).

Schwester Andrea Brewitt

Schwester Andrea Brewitt

Oberin der Schwesterngemeinschaft in der Diakonie Stiftung Salem

Liegen bleiben

Kennen Sie noch den „Alten Fritz“? Zugegeben, meine Geschichtskenntnisse sind auch nicht die besten. Aber diesen Namen habe ich mir gemerkt. Der „Alte Fritz“. Man kennt ihn auch unter dem Beinamen „der Große“, verliehen an den preußischen König Friedrich II. (1712-1786).
Dieser war bekannt für seine religiöse Toleranz. Er selbst glaubte an Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde, aber zu den verschiedenen Ritualen von Religion hatte er ein gespaltenes Verhältnis: „Dabei ist doch viel Aberglaube und Firlefanz, der den Menschen nur von der Arbeit abhält!“
Als König musste er sich leider öfter mit diesem „Firlefanz“ beschäftigen, als ihm lieb war. Immer wieder wurde seine Entscheidung in religiösen Streitigkeiten eingefordert. Das strapazierte seine Geduld aufs Äußerste! Doch gerade in diesen Situationen, in denen er seinen Nerven einiges abverlangte, machte er seinem Beinamen „der Große“ alle Ehre.
So forderte ihn eines Tages eine Gemeinde auf, ihnen baldmöglichst den Pfarrer wegzunehmen, diesen am besten generell zu entlassen, weil er angeblich nicht an die Auferstehung der Toten glaube.
Wie erwartet reagierte Friedrich der Große äußerst gereizt. Umgehend ließ er der Gemeinde seine Entscheidung mitteilen: „Der Pfarrer bleibt! Wenn er am Jüngsten Tag nicht mit aufstehen will, so mag er ruhig liegen bleiben.“
Was für ein Richtspruch! Ich musste lachen. Und wurde dann nachdenklich. Wie ist das bei mir, möchte ich liegen bleiben?
Für manche ist eine Auferstehung der Toten nicht denkbar. So wie auch die Auferstehung Jesu nicht denkbar ist. Tot ist tot. Und wer weiß, ob es Gott wirklich gibt?
Der Schriftsteller Peter Härtling hat in seiner Konfirmandenzeit seinen Pastor mit genau dieser Behauptung herausgefordert: „Herr Pastor, ich muss Ihnen sagen: Gott ist tot!“ Der Pastor schaute ihn an und entgegnete: „Das musst du ihm schon selber sagen.“
Wieder eine weise Antwort, die auch mich herausfordert. Gott ins Angesicht schauen und für tot erklären. Liegen bleiben, wenn alle anderen aufstehen.
Ist es wirklich das, was ich möchte?

Pfarrerin Esther Witte

Pfarrerin Esther Witte

Ev.-Luth. Kirchengemeinden Schlüsselburg, Heimsen und Windheim/Neuenknick

Sei ganz Ohr! – (D)ein Hirtentalent

Jesus Christus spricht: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme.“ (Joh10,11a.27a)

Wie wichtig sind doch unsere Ohren. Wir müssen gar nicht viel tun – sie einfach auf Empfang stellen. Zuhören! Aufmerksam sein, wahr- und ernstnehmen was wir hören, was es gerade braucht, was die Menschen um uns herum brauchen. Wie oft sind wir nur mit einem Ohr dabei? Hören gar nicht richtig hin, weil wir gedanklich schon den nächsten Punkt auf unserer To-Do-Liste abhaken oder uns Unerledigtes im Kopf rumschwirrt.
Hören wir richtig hin! So können auch wir in unserem Alltag zu guten Hirten und Hirtinnen werden – ganz ohne Hütehund, Stecken und Stab, ohne Fachkenntnisse, ohne große Herde.
Hören wir, was einander bewegt, welche Sorgen und Nöte den Alltag unserer Mitmenschen belasten. Schenken wir ihnen eine freundliche Stimme, ein zugewandtes, offenes Ohr. Kleine Dinge, die uns nur ein bisschen Zeit und Zuwendung kosten, die aber Großes bewirken können. Sie können helfen, dass ein Mensch nicht verloren geht – weil er sich gehört, vielleicht sogar verstanden fühlt.
Menschenhüten und Menschenführen wie Schäfchen? Kann das denn sein? Hier und da erleben wir das alle. Wir unterstützen Kinder und Enkelkinder beim Großwerden in unserer Welt, mit den Herausforderungen des Alltags. Wir begleiten Familie und Freunde, trauern und leiden gemeinsam und halten Schmerz zusammen aus. Wir übernehmen Verantwortung im Job, in der Schule und Zuhause, bewältigen bürokratische Anforderungen und stehen einander mit Ratschlägen und helfender Hand zur Seite. Überall dort, wo wir uns bemühen einander nicht aus dem Blick zu verlieren, sondern auf uns achten, so dass niemand verloren geht, überall da wird der Geist des Guten Hirten in unserem Alltag auch heute spürbar.

Liebe Schwestern und Brüder, also sein wir ganz Ohr – damit Mangel zu Fülle, Angst zu Vertrauen und Hoffnungslosigkeit zu Mut werden kann!

Nadja-Elena von Storch

Nadja-Elena von Storch

Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Barkhausen