Geschichte
Der Evangelische Kirchenkreis Minden ist die Gemeinschaft der evangelischen Gemeinden, Einrichtungen und Dienste im Gebiet des Altkreises Minden, zu dem neben der Kreisstadt Minden im Zentrum die überwiegend von ländlicher Struktur geprägten Kirchengemeinden in den Kommunen Hille, Petershagen und dem nördlichen Teil der Stadt Porta Westfalica gehören. Der Kirchenkreis wurde 1818 gegründet und besteht im Wesentlichen seit 1841 in den jetzigen Grenzen.
Die Anfänge christlichen Lebens im Mindener Land
Viele der heute bestehenden Kirchengemeinden können auf eine bis zu ca. 1200-jährige Geschichte als Orte christlichen Lebens und christlicher Verkündigung zurückblicken. Eine große Zahl denkmalsgeschützter Kirchengebäude, die als Gemeindekirchen oder Kapellen, als Stifts-, Kollegiats- oder Klosterkirchen in der Stadt Minden, als Wehrkirchen im Wesertal oder als Dorfkirchen bereits im Mittelalter gegründet und errichtet wurden, macht dies sichtbar. Diese Fülle historischer Denkmäler ist Reichtum, Verantwortung und Herausforderung zugleich, indem es gilt, sie baulich zu erhalten und mit Leben zu füllen.
Die Geschichte des Christentums in Minden begann um 800 zur Zeit Karls des Großen, der hier ein Missionsbistum gründete. Erste reformatorisch orientierte Predigten lassen sich in der Stadt Minden 1526 beobachten. 1530 wurde die Reformation hier durchgesetzt mit der von Nikolaus Krage für die Stadt Minden formulierten Kirchenordnung, die als älteste Westfalens gilt. Die Landgemeinden schlossen sich etwa zwei Jahrzehnte später der Reformation an. Das Zusammenleben einer altgläubigen, später römisch-katholisch geprägten Minderheit und einer weitgehend lutherischen Mehrheit prägt die Stadt Minden bis heute. Bis zum Jahr 1810 waren Dom- und Stiftskapitel sogar gemischt konfessionell besetzt. Mit der Auflösung des Bistums in der Folge des 30-jährigen Krieges wurde das Fürstbistum Minden von den Kurfürsten von Brandenburg, später von den Königen von Preußen regiert. Diese brachten ihren reformierten Glauben als dritte Konfession nach Minden-Ravensberg. Wenn auch das Verhältnis der Konfessionen zueinander nicht immer spannungsfrei war, so haben sie doch aus dem Miteinander stets auch Gewinn gezogen.
Die Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert
Der Kirchenkreis ist im 19. Jahrhundert stark geprägt worden durch die Erweckungsbewegung. Kirchbauten in Barkhausen, Friedewalde, Hartum, Dankersen, Kleinenbremen, Lerbeck und Oberlübbe spiegeln Bedürfnisse und Einsatz der Menschen für ihre Kirchengemeinde wider. Auch die bedrückende soziale Frage führte um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu besonderen Antworten. Es kam zu Stiftungen wie der „Gotteshütte“ in Kleinenbremen und anderen diakonischen Einrichtungen. Gruppen des CVJM, Posaunenchöre und Frauenhilfegruppen gehören mit ihrem besonderen Engagement seit mehr als 100 Jahren zum unverzichtbaren Bestand der Gemeinden. Schließlich ist wohl die nahezu geschlossene Haltung vieler Gemeinden zu Schrift und Bekenntnis im sogenannten „Kirchenkampf“ der Jahre 1933–1945 vor dem Hintergrund der Erweckungsbewegung zu verstehen. Das persönliche Bekenntnis zu Jesus Christus, die Ausrichtung an den Bekenntnisgrundlagen der Kirche und der Wille zur Bewahrung von Traditionen haben viele evangelische Gemeinden des Mindener Landes gekennzeichnet.
Aufbruch und Neuanfang nach dem II. Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu zahlreichen Neubauten von Kirchen, Gemeindehäusern und Kindergärten, bedingt durch den Wiederaufbau und durch das Anwachsen der Bevölkerung nach Flucht und Vertreibung. Neben diesen äußeren Zeichen einer Veränderung kirchlicher Strukturen gab es auch eine Reihe von neuen Fragen, die an die Kirche gerichtet wurden. Sowohl von der wissenschaftlichen Theologie als auch vom gesellschaftlich-politischen Umfeld her galt es, einen Standort der Christen zu beschreiben. Unbestritten war die Ausweitung des Blicks in die Ökumene weltweit und vor Ort. Der „konziliare Prozess“ benennt mit den Worten „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ zutreffend die wesentlichen Herausforderungen, denen sich Christen seit den 60er Jahren des 20. Jahrhundert gegenübergestellt sahen. Im nun begonnenen neuen Jahrhundert sind weitere hinzugekommen, die mit den Stichworten Globalisierung, Säkularisierung und Klimawandel auf weltweite Prozesse verweisen. Mit dem demografischen Wandel und den Chancen und Problemen der deutschen Einheit, dem Rückgang der finanziellen Ressourcen und der Frage nach der eigenen und der gesellschaftlichen Wertorientierung betreffen sie uns unmittelbar und erfordern neues Nachdenken und angemessene Veränderungen. In der Evangelischen Kirche von Westfalen begann am Ende der Neunziger Jahre ein Reformprozess mit der Perspektive, wirksame Konzeptionen für die kirchliche Arbeit mit Blick auf die vier Gesamtziele der Kirche zu entwickeln:
– Menschen gewinnen
– Glauben vermitteln
– Verantwortung übernehmen
– Mitgliedschaft stärken
Sie orientieren sich an den klassischen Bestimmungen der Kirche: Zeugnis (martyria), Gottesdienst (leiturgia), Dienst (diakonia) und Gemeinschaft (koinonia).
Minden als „Reformationsstadt Europas“
Neue Impulse hat das Engagement Mindens im Kontext des Jubiläums „500 Jahre Reformation“ ergeben. Im November 2016 war Minden eine von 68 Stationen auf dem von der EKD (Evangelische Kirche Deutschlands) initiierten „Europäischen Stationenweg“. Bei den Vorbereitungen vergewisserte sich die Stadt noch einmal neu ihrer evangelischen Wurzeln beziehungsweise ihrer frühen und bedeutenden Rolle bei der Durchsetzung reformatorischen Gedankenguts.
Durch die Beteiligung am Stationenweg schärfte die Stadt Minden gewissermaßen ihr protestantisches Selbstverständnis – und stolz trägt sie seitdem den Titel „Reformationsstadt Europas“. Dabei handelt es sich um einen Ehrentitel für europäische Städte, die in der Geschichte der Reformation eine bedeutende Rolle gespielt haben. Die Verleihung des Titels wird vorgenommen von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE).