Minden. „Unter dem Schatten Deiner Flügel“ war das biblische Motto des Fachtags Kinderschutz: Geborgen und sicher sollen alle Kinder zuhause und in Kindergärten und Kitas aufwachsen dürfen. Ulrike Barg, Fachberaterin der Kindertageseinrichtungen im Evangelischen Kirchenkreis Minden, hatte daher für einen besonderen Fachtag zum Thema alle Register gezogen, denn Kinderschutz ist für sie und Superintendent Michael Mertins, der den Fachtag eröffnete, erklärtes Anliegen.
Erzieher*innen, Pädagog*innen, die Leitungen von Kindertageseinrichtungen aus dem ganzen Kirchenkreis Minden und darüber hinaus sowie Vertreterinnen von Schulen, Jugendämtern und Vereinen waren in großer Zahl der Einladung aus Minden gefolgt und bevölkerten den Festsaal der Diakonie Stiftung Salem an der Kuhlenstraße. Nach Wochen der Vorbereitung war Ulrike Barg trotz des großen Publikums vor ihr und des intensiven Tagesprogramms ein Gefühl der Erleichterung anzusehen: Ihre Initiative hatte gefruchtet und war auf große Resonanz gestoßen.
Das große Interesse zeigte den Bedarf nach Austausch unter den Fachkräften. Viele von ihnen erleben, je nach Einrichtung in unterschiedlichen Konstellationen, dieselben Herausforderungen: Es geht um den Umgang mit Körpererkundungsspielen, um Kinderrechte, um die richtige Art, mit den Eltern über die manchmal schwierigen Themen zu kommunizieren, und natürlich um die Sorge um den Ernstfall, um Fälle von Kindeswohlgefährdung oder sexualisierter Gewalt. Viele haben auch schon eigene Lösungen entwickelt, die von ihren Kolleginnen und Kollegen gerne aufgenommen wurden. Dieser Austausch, oft spontan im Gespräch oder in den Workshops, war eine der großen Stärken des Formats, das sich Ulrike Barg für den Fachtag ausgedacht hatte.
In fünf Themenworkshops gingen die Teilnehmer die große Bandbreite der Themen an. Christian Weber von der Fachstelle „Prävention und Intervention“ der Landeskirche hatte bereits in einem eigenen Impulsvortrag das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vorgestellt. In seinem Workshop nahm er die Teilnehmenden mit in die praktische Arbeit mit Meldefällen. Das Netzwerk Kinderschutz der Jugendämter war mit gleich drei Referentinnen vertreten, um über die Abläufe bei möglicher Kindeswohlgefährdung zu sprechen, ein Thema, das auch von Kinderschutz-Fachkraft Anna Bolten aus präventiver Perspektive angegangen wurde. Antje Schuhmann-Waltke vom Kinderschutzbund öffnete den Blickwinkel noch weiter und fragte nach Kinderrechten und Partizipationsmöglichkeiten für Kinder, die auch eine Stimme im Kita-Alltag haben sollten.
Jasmin Riechmann von Wildwasser e.V. hatte sich für ihren Workshop ein wichtiges, aber unbequemes Thema ausgesucht: Sexualpädagogik im Kindesalter wird zu schnell zum Aufreger. Von Frühsexualisierung ist oft die Rede, doch geht es um etwas ganz anderes. Kinder entdecken ihre Körper und die Beziehungen miteinander spielerisch: „Wenn Kinder in den Einrichtungen Vater-Mutter-Kind spielen wollen, geht es nicht um Sexualität, wie Erwachsene sie kennen. Das sind zwei verschiedene Welten“, erklärte Riechmann anschaulich. Kinder sollten die Chance haben, dies sicher und geschützt, ohne Zwang und alles in ihrer eigenen Geschwindigkeit zu tun. Ihr Fazit schien den ganzen Fachtag zusammenzufassen: „Wissen schützt.“ Kinder seien stärker und sicherer, wenn sie über ihre Fragen und Sorgen über ihre eigenen Körper und natürlich auch über mögliche Übergriffe, die sie erleben, mit ihren Eltern, Bezugspersonen oder dem Personal in den Kitas und Schulen sprechen können.
Alle Workshops waren bis auf den letzten Platz ausgebucht. Daher endete der Fachtag nicht nur mit dem Dank für den Austausch, sondern bei vielen Teilnehmenden auch mit dem Wunsch, noch tiefer in die Themen zu gehen oder weitere Thementage in einzelnen Einrichtungen zu organisieren.