Zu einem Aktionstag auf dem Marktplatz hatte am vergangenen Samstag die Mindener Seebrücke-Initiative eingeladen. Am Tag vor dem internationalen Welt-Flüchtlingstag (20. Juni) trafen sich zunächst etwa 120 Menschen für einen Rundgang durch die Fußgängerzone. Anschließend sprachen auf dem Marktplatz Amani Fiddah über ihre Erfahrungen auf der Flucht aus Syrien und die beiden ehrenamtlichen Seenotretter Martin Kolek und Daniel Hempel über Rettungsaktionen auf dem Mittelmeer. Eindrucksvoll schilderte Fiddah zunächst die Flucht ihres Mannes in einem Schlauchboot für maximal acht Personen, in dem aber über 50 Personen (davon 20 Kinder) saßen, dann ihren eigenen Weg nach Deutschland im Rahmen des Familiennachzugs.
Wie frustrierend es sein kann, Geflüchtete eigentlich konkret und tatkräftig unterstützen zu wollen, sich dabei aber ausgebremst zu fühlen, machte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Minden, Michael Mertins, deutlich. Mertins ist Schirmherr der Mindener Seebrücke-Initiative und kennt die aktuelle Situation außerdem dank der Flüchtlingsberatungsstelle, die der Kirchenkreis unterhält.
Im Rahmen eines Resettlement-Programms der UNO-Flüchtlingshilfe und der Bundesregierung hält der Kirchenkreis seit anderthalb Jahren eine extra für diesen Zweck angemietete Wohnung vor, um einer Flüchtlingsfamilie einen sicheren Hafen zu bieten. Es verzögert sich aber immer wieder die Zuweisung einer solchen Familie u. a. deshalb, weil das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) während der Corona-Krise nicht die notwendigen Interviews in den großen Flüchtlingslagern führt.
Die Seebrücke-Bewegung ist im Juli 2018 entstanden, als das Schiff „Lifeline“ mit 234 Flüchtlingen an Bord tagelang auf hoher See ausharren musste und in keinem europäischen Hafen anlegen konnte. Mehrere Städte und Länder boten damals an, Menschen von der Lifeline aufzunehmen. Dennoch unternahmen Politiker und Regierungen viel zu lange nichts, um die Menschen sicher von Bord zu holen. Haupt- und Ehrenamtliche der Geflüchteten-Hilfe schlossen sich daraufhin zur Initiative „Seebrücke“ zusammen, die sich dafür engagiert, Menschen auf der Flucht „sichere Häfen“ anzubieten. Zu einem solchen sicheren Hafen gehört, dass sich eine Stadt mit Menschen auf der Flucht sowie mit den Zielen der Seebrücke solidarisch erklärt und sich offen gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung im Mittelmeer positioniert. Außerdem erklären sich Sicherer-Hafen-Städte bereit, über reguläre Verteilquoten hinaus Geflüchtete aufzunehmen und unterzubringen. Seit Juli 2019 gehört auch die Stadt Minden zu den derzeit rund 250 sicheren Häfen der Seebrücke-Bewegung.
Für den 18. September plant die Initiative, eine Menschenkette zu bilden, die von der Nordsee bis nach Italien ans Mittelmeer reichen soll. Diese Rettungskette soll ein europäisches Zeichen setzen für mehr Menschlichkeit, gegen das Sterben im Mittelmeer und gegen das Elend in den Flüchtlingslagern. An der Aktion Rettungskette beteiligt sich auch die Seebrücke Minden. Wer an der Aktion teilnehmen will oder Fragen dazu hat, meldet sich bitte unter rettungskette@welthaus-minden.de.