Liebe Leser,
das Weihnachtsfest liegt hinter uns. Wir haben die Geburt Jesu gefeiert. Von seinem dann folgenden Leben erfahren wir allerdings nur sehr wenig. Die Bibel übergeht sozusagen die ersten 30 Lebensjahre und setzt gleich bei der öffentlichen Wirksamkeit Jesu an. In der Evangeliumslesung des morgigen Sonntages erfahren wir davon: Nach dem Bericht des Evangelisten Johannes beginnt Jesu Wirken erstaunlicherweise nicht im Tempel mit einer öffentlichen Rede, sondern bei einer Hochzeitsfeier in Kana. Der Tradition zufolge ist das ein mehrtägiges und großes Fest. Viele Menschen sind eingeladen, auch Maria und ihr Sohn. Der ist hier noch nicht der Prophet oder Rabbi oder Wundertäter. Noch ist er nur Jesus, der Zimmermannssohn aus Nazareth, der mit seinen Freunden unterwegs ist.
Aber dann kommt es zu einem Ereignis, dass einen Umschwung bedeutet. Bei der Hochzeit hat es wohl einen gravierenden Planungsfehler gegeben. Kein Wein mehr – eine kleine Katastrophe! Wie soll da Feierlaune aufkommen? Maria weist Jesus darauf hin in einer Weise, die wohl nur er verstehen kann: „Sie haben keinen Wein mehr“ – dieser Satz heißt ganz offensichtlich: „Tu was, Junge!“
Jesus lässt große Steinkrüge mit Wasser füllen. Dann befiehlt er den Dienern, etwas Wasser daraus dem Speisemeister zu bringen. Der kostet und bemerkt erstaunt, dass dies guter Wein ist. Die Feier ist gerettet!
Das Wunder der Verwandlung von Wasser zu Wein geschieht ohne irgendwelche Worte oder Handlungen. Kein Simsalabim oder Abrakadabra, nicht mal ein Gebet oder ein symbolisches Rühren im Wasser. Für diejenigen, die es mitbekommen haben, muß das ein ganz seltsames Ereignis gewesen sein. Ein Wunder eben – oder ein Zeichen?
Der Text endet mit dem Hinweis, dass dies das erste Zeichen ist, das Jesus tut. Vieles von dem, was er in der Folgezeit tut, erscheint den Zeitzeugen wundersam. Doch Jesus tut seine Wunder nicht, um Menschen zum Staunen zu bringen oder um sich selbst herauszustellen. Er handelt wundersam, um den Menschen zu helfen – und um Zeichen zu setzen! Zeichen dafür, dass eine Neue Zeit begonnen hat.
Das Wunder der Verwandlung von Wasser zu Wein bildet den Auftakt zu Jesu öffentlichem Wirken. Und es ist eine Zeichenhandlung mit doppelter Bedeutung. Zum Einen ist der Anlaß als solcher schon bedeutungsreich: Eine Hochzeit – das ist im AT und NT häufig ein Bild für das Reich Gottes. Wenn Jesus ausgerechnet auf einer Hochzeitsfeier seine Vollmacht erstmals zeigt, dann heißt dies: das Reich Gottes hat begonnen! Der Wein unterstreicht diese Botschaft, denn Wasser ist das Getränk des Alltags, Wein aber ist bestimmt für den Festtag; und guter Wein zeigt an, dass es ein besonderes Fest ist
Jesus macht nicht nur die Hochzeit zu Kana zu einem besonderen Fest. Vielmehr zeigt er, dass eine besondere, eine neue Zeit begonnen hat! Jesus lässt die Krüge mit Wasser füllen, die zur rituellen Reinigung bestimmt waren. Sie stehen für den alten, auf die Gesetzeserfüllung ausgerichteten Bund. Indem diese Krüge nun nicht mehr mit dem Wasser zur Reinigung, sondern mit dem Wein zur Feier gefüllt sind, zeigt sich der Anbruch der neuen Zeit! Die Gesetzesordnung wird abgelöst durch die Gnadenordnung Gottes! Mit Jesus, dem Sohn Gottes, ist Gottes Reich in die Welt gekommen. Die Heilszeit ist angebrochen, das große ewige Fest hat angefangen. Ein Fest, zu dem auch wir eingeladen sind. Gott schenke uns, dass auch bei uns wahr wird, was wir von den Jüngern Jesu hören: „Sie glaubten an ihn.“
Christoph Ruffer
Pfarrer an St. Martini MInden