Minden. Der Anstieg von Antisemitismus, rechtsradikalem Gedankengut und entsprechenden Gewalttaten ist erschreckend – es gibt aber auch gute Nachrichten: Der Zustrom der Besucher*innen der Gedenkstätten in NRW, die an die Verbrechen der NS-Zeit erinnern, steigt seit Jahren ebenfalls ständig. Aus diesem Anlass hat die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen zusammen mit dem „Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V.“ jüngst eine Wanderausstellung fertiggestellt, die nach ihrer Premiere in Lemgo nun in Minden zu sehen ist.

„Ein Ort – ein Objekt – eine Geschichte“ lautet das Konzept, nach dem diese sehr anschauliche Ausstellung gestrickt ist. Jeweils für einen der Orte, die mit einer Gedenkstätte oder einem Erinnerungsort vertreten sind, steht ein Objekt, zu dem eine dahinter stehende menschliche Geschichte erzählt wird. Nur durch die Gedenkstätten und Erinnerungsorte werden diese Objekte und ihre Geschichte – und ihre Botschaft für spätere Generationen – bewahrt. In diese Einrichtungen sind die Objekte oft auf verschlungenen Wegen gekommen. Sie stehen stellvertretend für den Auftrag ihrer Aufbewahrungsorte: Sich immer wieder der Vergangenheit zu stellen und nach ihrer Bedeutung für die Gegenwart zu fragen.

Die Geschichten erzählen von Menschen, für die der jeweilige Gegenstand zum Inbegriff ihrer erlittenen Qualen und Verbrechen wurde – aber auch von Menschen, für die der präsentierte Gegenstand etwas Persönliches im eigenen Leben bedeutete. Persönliche Objekte waren einerseits von den Tätern geraubt worden, andererseits erzählen sie aber auch von Mut machenden Geschichten, in denen sie durch vorbildhaftes Handeln von Menschen bewahrt wurden. Heute besitzen sie alle dieselbe Funktion: die Erinnerung wachzuhalten – an Menschen, die von Nationalsozialist*innen verfolgt und ermordet wurden, aber auch an die Menschen, die diese Verbrechen begangen haben und durch diese Ausstellung „ein Gesicht bekommen“.

Für das Minden-Lübbecker Land prominent vertreten ist die Gedenkstätte Alte Synagoge Petershagen, die selber als Mitglied des Arbeitskreises an der Konzeption der Ausstellung beteiligt ist. Ihr Gegenstand: die Brotschneidemaschine der Petershäger Jüdin Grete Hertz. Am Vorabend ihrer Deportation 1942 übergab Grete Hertz diesen Brotschneider vertrauensvoll ihrem Nachbarn, weil sie wusste, dass er ihn nach ihrer Rückkehr zurückgeben würde. Sie kam aber nicht zurück. Grete Hertz und ihre Familie wurden in Auschwitz ermordet. Ihr Nachbar Carl Ballhaus bewahrte derweil die Brotschneidemaschine getreulich auf, und über seine sorgsamen Erben gelangte das Stück in die Gedenkstätte in Petershagen.

Die Ausstellung in der Offenen Kirche St. Simeonis ist bis zum 29. Juni dienstags bis samstags 11 bis 17 Uhr geöffnet (außer an Feiertagen). Sie ist so konzipiert, dass sie selbsterklärend zu besichtigen ist und auch für Schulklassen sowie Jugendgruppen gut geeignet.

(Beitrag von Wolfgang Battermann / Alte Synagoge Petershagen, Foto von Alfred Loschen / Offene Kirche St. Simeonis)