Die ersten Anzeichen der Infektion spürt man kaum, schon nistet sich das Virus in den Gedanken ein: „Warum wird bei Straftätern nie die wirkliche Herkunft genannt?“ „Dass die Jungen immer so viel feiern müssen und auf niemanden Rücksicht nehmen!“ „Diese Raser sollten alle mal die Härte des Gesetzes spüren!“ Wie ein Nebel legt sich die Verachtung auf unsere Gedanken und auf unsere Augen, mit denen wir die Welt betrachten: „War ja klar, dass sich das so entwickelt.“ – „Was soll da schon Gutes rauskommen?“ Mit diesen Pauschalierungen stecken wir einander an und das Virus schleicht weiter. Die Menschen, über die wir uns erheben, zählen dann nicht mehr als Person, nicht mehr als Mitglieder der Gesellschaft. Ihr schlechtes Tun, ihr Untergang, ihr Verlust sind schon einkalkuliert und wenn es dann so kommt, dann wussten wir ja schon, dass es so kommen musste.

Schon bei Kain und Abel begann der Streit vor dem ersten Mord mit Verachtung. Seitdem hat dieser Virus die Welt nicht mehr losgelassen. Selbst fromme Menschen sind nicht immun. So erzählt Jesus im Lukasevangelium Kapitel 18 ein Gleichnis von einem Mann, der zum Tempel nach Jerusalem kommt und wie folgt – in seinen Gedanken – betet: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die anderen Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner (neben mir).“ Jesus erzählt dann von einem zweiten Mann, dem Zöllner, der daneben steht und wie folgt betet: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“

Das zweite Gebet wird erhört, sagt Jesus, weil Gott jeden freundlich und ohne Verachtung anschaut und sich über jeden freut, der zu ihm (zurück) kommt und seinen Virus der Verachtung loswerden möchte. Nur die Liebe, die Jesus vorgelebt und ausgestrahlt hat, kann meine Haltungen und Einstellungen überwinden. Jesu Liebe ging so weit, dass er sogar für seine Feinde gestorben ist. Seit er auferstanden ist, ist für alle klar, dass diese Liebe gewonnen hat! Ich hoffe darauf, dass sich diese Liebe immer weiter ansteckend ausbreitet.

Olaf Mohring

Olaf Mohring

Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Minden