Sicherlich ist es nicht im christlichen Sinne, bei uns vor Ort wegen des Krieges in der Ukraine Menschen vom gemeinsamen Sport auszuschließen. Und sicherlich werden Sportgruppen und Vereine in der Regel niemanden jetzt ausschließen, weil sie Russin oder er Russe ist, oder russische Wurzeln hat.
Es tut ganz gut, hier etwas Gelassenheit an den Tag zu legen, auch wenn es einzelne Anfeindungen gibt, weil mit dem Thema auch Stimmung gemacht wird, die übliche Spalter-Taktik. Man kann nur dazu aufrufen, möglichst die Kontakte auch mit den russischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern weiter zu pflegen, auch wenn sie ein Herz für die russische Heimat haben, so lange sie nicht aktiv für den Krieg Stimmung machen. Viele sind ja auch in den Kirchengemeinden und Freikirchen aktiv.
Anders sieht es aus, wenn jemand als Profisportler als Repräsentant Russlands zu verstehen ist. Dann muss er wohl oder übel auch diese politische Seite bedenken. So tut es zum Beispiel die Tennisspielerin Anastasia Pavlyuchenkova über Twitter: „Ich spiele Tennis seit meiner Kindheit und repräsentiere seither Russland. Aber ich bin ganz klar gegen Krieg und Gewalt. Persönliche Ambitionen oder politische Motive rechtfertigen niemals Gewaltanwendung!“
Wer so verantwortungsvoll denkt und spricht, wird auch akzeptieren, dass er für die Zeit des Krieges von Wettbewerben ausgeschlossen wird. Denn auch die sportlichen Erfolge durch Athletinnen, Athleten oder Vereine haben eine Wirkung.
Sportliche Siege haben in diesem Konflikt auf symbolischer Ebene eine ganz große Bedeutung. Erfolge machen Eindruck auf die Bürger. Sie zeigen, dass ein Land auch auf sportlicher Ebene mithalten kann, dass die Weltgemeinschaft den Staat respektiert und Russland fördert damit den inneren Zusammenhalt. Deshalb ist es gut und wichtig in Folge des Krieges, Putin dieses Mittel nach Möglichkeit zu nehmen und auch hier die Solidarität mit den Opfern in der Ukraine zu zeigen.
Doch zurück zu uns vor Ort. Bei allen Maßnahmen, die wir als Bevölkerung mittragen, das Ziel muss sein: Nicht gegen Russland sondern für den Frieden. Denn wir in Deutschland können schon daran denken, dass es auf dem Weg zum Frieden der Versöhnung bedarf und nicht der Feindbilder. Das haben wir nach dem 2. Weltkrieg gelernt und in den Kirchen gelebt, z.B. durch die Versöhnungs-Bewegung aus Coventry und die Nagelkreuz-Gemeinschaft. In der Ukraine kann daran noch niemand denken, so lange Menschen getötet werden.
Clemens Becht
Pfarrer, Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien, Pfarrbezirk St. Lukas