Liebe Leserinnen und Leser,
„systemrelevant“ – was für ein Wort! Viel gebraucht in den letzten Wochen. Damit wir alle wissen, was damit gemeint ist, und worum es geht, gibt’s eine Verordnung. Mehrfach präzisiert: Also alle Tätigkeiten, die dazu beitragen, dass der „ Laden läuft“, sind system-relevant. In der Praxis geht es darum, wer seine Kinder zur Kita bringen darf und wer nicht. Systemrelevante haben den ersten Zugriff auf die Betreuung ihrer Kinder. Die Liste ist lang. Natürlich – alle, die im Gesundheitswesen arbeiten, Polizei, Verwaltung, die Versorgung mit Lebensmitteln, die Entsorgung… Kläranlage und Müllabfuhr. Und Respekt vor allen, denen wir die Aufgabe übertragen haben, genau das zu entscheiden. Und die sich der Kritik und der Lobbyisten aussetzen müssen: Warum die? Warum nicht wir? Natürlich gibt es da Ungereimtheiten, und keiner wird allen gerecht. Ich glaube, die Verantwortlichen haben gut gearbeitet. ´Was fehlt? Kultur, Musik, Theater, geistliches Leben… Ihnen fällt noch viel mehr ein. Klar, es geht auch virtuell. Orchester, deren Stimmen einzeln aufgenommen und digital zusammengefügt werden… Online-Gottesdienste, aus leeren Kirchen mit Akteuren im Mindestabstand.
Mir kommt ein Wort Jesu in den Sinn: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort aus dem Mund Gottes“. Kann es sein, dass wir alle wochenlang doch nur vom „Brot allein“ lebten? Wer also ist systemrelevant? Worauf können wir auch mal verzichten? Apfelkuchen muss man nicht mit Sahne essen, ohne geht auch. Geht auch ohne Kuchen, Graubrot reicht. Welche Kriterien gelten mit Blick auf die Zukunft? Was ist mit den Kindern, den Jugendlichen…? Systemrelevant oder nicht? Dazu eine naive Frage: Was hätte Jesus dazu gesagt? Da standen sie damals vor 2000 Jahren. Schlichte Menschen. Hörten ihm zu, als er sie für systemrelevant erklärte: Ihr seid das Licht der Welt! Ihr seid das Salz der Erde! Nein, in den Augen der Mächtigen waren die ganz gewiss nicht „systemrelevant“. Die Worte stehen im Matthäusevangelium, und sie gelten uns heute wie den Menschen damals: Ihr seid das Licht der Welt! Ihr seid das Salz der Erde! Und ihr braucht keinen Laden am Laufen halten. Ihr gehört zu mir. Gott hat eben andere Maßstäbe. Gott sei Dank. (Diese Gedanken habe ich am 6. Mai niedergeschrieben. Ob die Verordnung zum 17. noch gilt, weiß ich nicht. Was bleibt, ist aber die Frage nach meinem „Wert“.)
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag
Dieter Maletz
Pfarrer in der Kirchengemeinde Oberlübbe