Minden. Im Jahr 2024 erfasste das Statistische Bundesamt 2900 Totgeburten in Deutschland. Ungefähr 1330 Kinder starben während oder direkt nach der Geburt. Beide Zahlen sind im internationalen Vergleich niedrig, doch immer noch zu hoch. Denn was sich hinter diesen kalten Zahlen verbirgt, sind Schicksale: 4200 Kinder, um die Eltern, Geschwister und Angehörige trauern.

Es sind Geschichten wie die von Amina und Stefan Wege. Zweimal schien sich der Kinderwunsch des jungen Paares zu erfüllen, und zweimal verloren sie ihre Kinder lange vor der Geburt. Schon im ersten Trimester kam die Hiobsbotschaft: Kein Herzschlag sei mehr zu hören. Anders als bei kranken oder alten Angehörigen scheint solch ein Verlust nicht in den natürlich Lauf der Welt zu passen. „So etwas gehört nicht in unsere Vorstellung von unserer Lebensordnung“, weiß Pfarrerin Melanie Drucks. Auch entscheide nicht die Dauer der Schwangerschaft darüber, ob und wie Eltern trauern, sondern die Beziehung, die man mit dem erwarteten Kind aufgebaut hat, erklärt die Krankenhausseelsorgerin am Johannes-Wesling-Klinikum.

Die Angehörigen dieser Sternenkinder fühlen sich oft verloren, da sogar viele der üblichen Formen von Trauer nicht auf ihre Situation ausgelegt zu sein scheinen. Melanie Drucks weiß, wie wichtig die Möglichkeit sein kann, auch um Kinder trauern zu können, die gar nicht erst das Licht der Welt erblickten, ebenso wie ein Ort, um sich an sie zu erinnern: „In dieser Zeit fühlt man sich hilflos. Es hilft dann immens, etwas, irgendetwas tun zu können.“ Viele Angehörige ziehen Trost aus den vielen Entscheidungen und Erledigungen, die nach einem Trauerfall in der Familie nötig sind, die Gespräche mit Bestattern, die Behördengänge, manchmal der Abbau des Krankenbetts oder die Räumung des Pflegeheims. Dieser Trost bleibt den Eltern von Kindern, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben, manchmal verwehrt. Oft ziehen sie sich zurück, möchten unangenehme Fragen vermeiden, nicht Blicke oder ungelenke Tröstungsversuche auf sich ziehen. So auch Amina und Stefan Wege, zumindest anfänglich. Fast zufällig hatte Stefan Wege den Kontakt mit der Krankenhausseelsorge im Johannes-Wesling-Klinikum aufgenommen und so erst von der Unterstützung für die Eltern von still geborenen Kindern erfahren.

In den Gesprächen erhielt das trauernde Paar nicht nur seelsorgliche Unterstützung. Sie erfuhren hier auch von der Möglichkeit einer Bestattung für still geborene Kinder. Lange bestimmten starre Grenzen von Körpergewicht oder Schwangerschaftswoche, ob das verstorbene Kind überhaupt als Person angesehen und normal bestattet werden konnte. Für Amina Wege stand fest, dass ihre Kinder gelebt hatten und daher auch bestattet werden sollten. Auf dem Mindener Nordfriedhof wurde dieser Wunsch möglich gemacht. Dort liegt das erste Grabfeld für Sternenkinder direkt hinter der Trauerhalle. Ein weiteres Grabfeld ist erkennbar an einer Skulptur mit einem großen Glasstern. „Der Stern überspannt es wie ein Himmelsgewölbe und richtet den Blick weg von der Erde hin zum Himmel, an dem nachts die Sterne leuchten“, erklärt Melanie Drucks.

Im Kreisgebiet gibt es zurzeit vier solcher Erinnerungsorte: Die beiden Grabfelder auf Mindens Nordfriedhof und das Sternenkinderfeld auf dem Friedhof Schwarzer Weg in Bad Oeynhausen. Neu hinzugekommen ist, auf Initiative einer Bestatterin und der Familienbeauftragten der Stadt und beraten von örtlichen Hebammen und Pfarrerin Drucks, die Grabstätte für Sternenkinder in Rahden. Ein ähnlicher Erinnerungsort ist auch in Lübbecke in Planung.

An diesen Orten wird in jedem Frühjahr, in der Zeit um Pfingsten, ein Gedenkgottesdienst für die Eltern von Sternenkindern gefeiert. Auch Amina und Stefan Wege nehmen noch immer regelmäßig an den ökumenischen Gottesdiensten teil, bei denen ihrer still geborenen Kinder gedacht wird. Sie sind nicht allein: „Auch für Paare, die vor vielen Jahren ihr Kind verloren haben, kann dieser Gottesdienst sehr wichtig sein“, weiß Krankenhauspfarrerin Drucks aus ihren Gesprächen. Nur einmal ließ das junge Paar die Feier aus: Als ihr Wunsch nach einem Kind erfüllt und ihre erste Tochter lebendig und gesund geboren wurde. Zwei Sterne leuchten jetzt im Kinderzimmer ihrer Tochter, als Erinnerung an die Geschwister, die sie nicht kennenlernen konnte.

„Leicht wie eine Feder“ ist das Thema des ökumenischen Gottesdienstes für Eltern und Familien, die um ein still geborenes Baby trauern. Am Pfingstsonntag, dem 08. Juni  2025  wird dieser besondere Gottesdienst um 16 Uhr auf dem Mindener Nordfriedhof gefeiert. Pfarrerin Melanie Drucks, Evangelische Krankenhausseelsorgerin, gestaltet ihn gemeinsam mit der Katholischen Krankenhausseelsorge sowie ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Unabhängig von Konfession oder Religionszugehörigkeit sind alle Eltern und Familien herzlich eingeladen. Während des Gottesdienstes können Eltern und Geschwister zur Erinnerung an ihr verstorbenes Baby eine Kerze anzünden. Anschließend besteht die Möglichkeit, gemeinsam zu den beiden Grabfeldern für still geborene Babys zu gehen, um auch dort an sie zu denken und Rosen niederzulegen.

(Beitrag von Kevin Potter / Evangelischer Kirchenkreis Vlotho)