Wie Gottes Licht uns anders sehen lässt

In den Psalmen in der Bibel gibt es einen Satz über Gott, der mich früher immer etwas ratlos zurückließ: „In deinem Lichte sehen wir das Licht“ (Psalm 36, Vers 10). Wieso braucht man Gottes Licht, um das Licht zu sehen?, so habe ich mich gefragt. Bis mir eines Tages etwas einfiel, was wir in der Schule über das Licht gelernt haben. Denn damit wir einen Gegenstand sehen, muss erst einmal Licht aus einer Lichtquelle auf ihn fallen. Was wir dann sehen, ist das Licht, das dieser Gegenstand zurückstrahlt.

Ob das Psalmwort das so gemeint hat? Dass der Glaube Dinge anders wahrnimmt, weil er sie in Gottes Licht sieht? Ich glaube schon.

Nehmen wir einmal eine Bekannte, die uns begegnet. Wir merken: Ihr geht es nicht gut. Und sie fragt: „Hast du einmal etwas Zeit für mich?“ Wir haben eigentlich etwas ganz anderes vor. Aber Gottes Licht zeigt uns jemanden, der uns braucht – und dass das Zuhören jetzt wichtiger ist als andere Dinge.

Oder wir gehen an einer prächtigen Villa vorbei und sind ein wenig neidisch. „Ja, so müsste man leben!“ Und dann scheint Gottes Licht darauf, und wir merken, wie viel Gutes Gott auch uns geschenkt hat – und dass wir doch eigentlich auch mit dem, was wir haben, glücklich sein können.

Und wenn alles ganz finster erscheint und wir gar keinen Weg mehr für uns sehen, dann zeigt uns Gottes Licht, dass Gott uns nicht allein lässt in der Dunkelheit.

Glauben heißt, gewissermaßen die Beleuchtung zu wechseln bei dem, was wir sehen. Dinge in Gottes Licht zu sehen, bedeutet, sie anders zu sehen. Manches, was uns wichtig scheint, gar nicht so wichtig zu nehmen. Und anderes dafür umso wichtiger.

Versuchen Sie doch einmal, Menschen oder Dinge, die Ihnen heute begegnen, in Gottes Licht zu sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie manches mit anderen Augen – und damit ganz neu – sehen werden!

Thomas Salberg

Thomas Salberg

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Friedewalde