Zu einem Einsiedler kam eines Tages ein junger Mann und sagte, er sei von der Kirche enttäuscht und suche jetzt die vollkommene Gemeinschaft von gläubigen Christen. Da führte ihn der Alte zu den Mauern seiner kleinen Kapelle und fragte ihn: „Sag mir, was du siehst.“ „Ich sehe alte Mauern mit Unkraut und Moos“, entgegnete der Besucher. „Und doch wohnt Gott in diesem scheinbar ungepflegten Haus“, meinte der Einsiedler. „So ist es auch mit der Kirche. Sie kann nicht rein und perfekt sein, weil sie aus Menschen besteht.  Auch du bist ein Mensch und ich sage dir: selbst wenn du die vollkommene Kirche findest, wird sie es in dem Augenblick nicht mehr sein, in dem du ihr beitrittst.“ (Herkunft unbekannt)

Man kann über die Kirche ja so oder so denken. Was allerdings oft verkannt wird: Nach wie vor bietet die Kirche vielen Menschen ein geistliches Zuhause. Auch gibt es in Deutschland keine Organisation, die mehr Mitglieder hat, als die Kirche.
Damit will ich nicht kleinreden, dass es jede Menge Verbesserungsbedarf gibt. Womöglich in der einen oder anderen christlichen Konfession mehr als bei anderen. Da kehre jede und jeder vor der eignen Tür.
Doch was wäre, wenn niemand mehr von Gottes Gegenwart zu reden wüsste? Wenn kein Trost zugesprochen und kein Segen mit auf den Lebensweg gegeben würde? Mir würde da Entscheidendes fehlen.
In einer Woche feiern wir Pfingsten. Das Fest der Erneuerung und des Aufbruchs. Das Fest des Heiligen Geistes, der Menschen im Innersten anrührt und in Bewegung setzt. Das Fest der Kirche, die für andere da ist.
Zugegeben: manchmal fehlt da noch die große Begeisterung. Doch die Sehnsucht nach Gottes Gegenwart und Hilfe tragen viele Menschen in sich.
Und das macht Mut, sich weiterhin in der Kirche zu engagieren. Auch wenn sie hier und da Moos angesetzt hat oder unansehnlich ist. Solange Menschen darin Gottes Wort hören und seinen Segen empfangen, brauchen wir sie mehr denn je.

Pfarrer Thomas Lunkenheimer

Pfarrer Thomas Lunkenheimer

Theologischer Vorstand der Diakonie Stiftung Salem