Leicht gesagt, schwer getan – der Wochenspruch dieses Sonntags hängt die Latte hoch mit seinem Rat: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“ (Römerbrief 12, 21). Dem guten Paulus fiel das auch nicht immer leicht – in manchen seiner Briefe kocht dem Apostel im Streit um die Wahrheit die Galle über, in üblen Beschimpfungen seiner Gegner.

Mir selber macht dieser Wochenspruch auch Probleme. Wenn mir als Radfahrer zum 3. Mal in der Woche ein Auto die Vorfahrt nimmt und ich mich als ohnmächtiges Opfer erfahre, fluppen durchaus unchristliche Bilder vor‘s geistige Auge. Da sitzt gedanklich der Hammer locker, ein flinker Kieselstein  in der Tasche käme mir da gut zu pass.

Wie ist es mit Menschen, die ganz anders das Opfer brutaler Gewalt werden, von Polizei und Militär, in Myan Mar, Weißrussland oder sonstwo auf der Welt? Soll man da mit Jesus „auch die andere Wange hinhalten“ (Matt. 5,39) und zuschauen, wie unschuldiges Leben von skrupellosen Staatsschergen zerstört wird, anstatt der menschenverachtenden Gewalt Einhalt zu gebieten?

So sehr es richtig ist, Gewalt notfalls durch Gegengewalt in die Schranken zu weisen – das Wort des Apostels Paulus ist kein frommer Spruch, sondern eine tiefe menschliche Wahrheit. Wirklich ändert  sich nur was, wenn ich den Teufelskreis durchbreche. Wenn ich es schaffe – wenn es mir geschenkt wird! -, mit Gutem zu reagieren. Lächeln statt Stinkefinger. Wenn wir beide, mein Gegenüber und ich, überrascht werden, dass es ganz anders geht. Schwierig, aber nicht unmöglich. In jedem Fall ein Segen, für alle.

Kreativität und Mut sind hier gefragt. Daraus kann Ungeahntes entstehen. Das schönste Beispiel hörte ich von einem älteren Herrn: Als er im Edeka mit dem Einkaufswagen eine Dame anfährt und die ihn erzürnt anzischt, wirft er ihr lächelnd eine Kusshand entgegen. Entwaffnung mit Folgen. Gestern feierten die beiden Diamantene Hochzeit.

 

Andreas Brügmann

Andreas Brügmann

Pfarrer der offenen Kirche St.Simeonis