Letzten Mittwoch, Unterrichtsende in einer Vollzeitklasse des Berufskollegs: „In zwei Wochen sehen wir uns erst wieder, am 1. November ist Allerheiligen!“ Allerheiligen, was ist das denn…?
Ein aus Polen stammender Schüler beginnt zu berichten, wie seine Familie Allerheiligen feiert. Er erzählt vom Gottesdienst, von der Messe, in der die Bergpredigt vorgelesen wird: “Glückselig sind die, die trauern, denn sie werden getröstet werden“ (Basisbibel). Vom guten Essen mit der Familie erzählt er und wie gut Piroggen schmecken und davon, dass alle zum Friedhof gehen, um die Gräber zu schmücken und Laternen aufzustellen. Wie der Priester geweihtes Wasser über die Gräber sprüht und dabei gesungen wird. Alt und Jung sind versammelt und als ob die Verstorbenen noch dazu gehören würden, sei ein reges Treiben zwischen den Gräbern. Er erzählt mit leuchtenden Augen von den vielen Lichtern, die bei einbrechender Dunkelheit den Friedhof in ein heimeliges Licht tauchen.  
Mich hat es an den Friedhof meiner südbadischen Heimat erinnert. Anfang November, wenn die Welt dunkler und kälter wird, an Allerheiligen und Allerseelen, leuchten die roten und weißen Grablichter weithin sichtbar und fordern auf ihre Art auf, sich an die Toten zu erinnern und die eigene Sterblichkeit nicht zu vergessen.
Auch wenn ich als evangelische Christin nicht alle Aspekte, die zu diesem Fest gehören, nachvollziehen kann, so finde ich diese Form der Erinnerung an Verstorbene in der Gemeinschaft sehr tröstlich. Das ewige Licht leuchtet als Zeichen der Gegenwart Gottes in Synagogen und katholischen Kirchen, das ewige Licht ist ein Zeichen für die christliche Auferstehungshoffnung auf den Gräbern. Wir Christen glauben, dass der Tod nicht das letzte Wort über das Leben eines Menschen spricht.
Kerzen und Grablichter sind aber auch ein Ausdruck der Nähe, die wir am Grab eines Menschen suchen, um den wir trauern und den wir nicht vergessen möchten. Gräber sind uns Lebenden eine Mahnung. Das Leben kann schnell zu Ende sein. Unsere Zeit ist begrenzt und sehr kostbar.
Deshalb sollte doch jeder Mensch sein Leben in Ruhe leben dürfen, sagen manche Schüler und Schülerinnen, wenn wir in diesen Tagen über den Krieg im Nahen Osten sprechen. So viel Gewalt, so viel Brutalität, Tod und Sterben, so viel Unheil…
Das macht Angst und ich wünsche mir, dass mehr Menschen ihren Halt aus den alten Taktgebern des Kirchenjahres ziehen können, um die Orientierung nicht zu verlieren.

Maike Brodowski-Stetter

Maike Brodowski-Stetter

Pfarrerin am Leo-Sympher-Berufskolleg in Minden