Der Beginn der Fastenzeit

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist gut, ab und zu im Alltag den Resetknopf zu drücken und die Fülle unserer Gewohnheiten mal auf den Prüfstand zu stellen. Was tut mir gut? Wo bin ich ganz bei mir? Was führt mich näher in den Kontakt zum Mitmenschen, zu Gott?

In der katholischen Kirche dient für diese Inspektion unserer Lebensführung die jährliche Vorbereitungszeit auf das Osterfest von 40 Tagen. Während mancher Zeitgenosse über den selbstauferlegten Verzicht in dieser Zeit die Nase rümpft und sie vorschnell als typisch katholisch empfundene Bigotterie abtut, fühlen sich andere von einer Zeit des freiwilligen Verzichts angesprochen, sei es aus Gründen des Wunsches nach weniger Körperfülle oder nach einem gutgemeinten Rat des Hausarztes. Dazu muss man aber zunächst mit einem Missverständnis aufräumen: die Fastenzeit ist keine Phase der verstärkten Selbstbetrachtung, einer ständigen „Nabelschau“. Es geht nicht um das Konzentrieren auf das eigene Ich. Vielmehr soll ein Durchbrechen schlechter Gewohnheiten, gerade wenn sie der Selbstbeschäftigung dienen und diese verstärken, den Blick klären und die eigene Wahrnehmung mehr auf das Du ausrichten. Fasten also nicht als Wellness oder esoterischer Schnick-Schnack, sondern als Weg zum Kontakt zum anderen, mir fremden. Was heißt das konkret? Im Grunde der bewusste Verzicht auf Ablenkungen und Beschäftigungen, bei denen ich um mich selber kreise. Das kann das ständige Hängen am Smartphone sein (wie oft nehmen wir den „Suchtknochen“ in die Hand, nicht weil er gerade gemeldet hat, dass eine Meldung gekommen ist, sondern in Erwartung, es könnte gerade was passiert sein?). Dann der Verzicht auf Ablenkung durch falsche und ungesunde Ernährung: das beliebte Knabberzeug nebenher, dass nur der Beschäftigung der Geschmacksnerven dient. Oder der Verzicht auf das sonstige mediale Dauerfeuer, dem wir uns oft ungeschützt ausliefern. Dies alles aber nicht, damit ich mich irgendwie besser fühle, sondern um mich neu für die Begegnung mit einem Gegenüber zu öffnen, sei es ein Mitmensch, der für ein aufmunterndes Wort von mir dankbar ist, oder natürlich für die Begegnung mit Gott, im Gebet, im Lesen der Heiligen Schrift oder eines spirituellen Buches, im Hören eines geistlichen Podcast, oder für uns katholische Christen im achtsam vorbereiteten Empfang der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie.

Auch wenn Sie nicht katholisch sind; Vielleicht lassen Sie sich am Beginn dieser Fastenzeit motivieren und inspirieren? Drücken Sie doch auch mal den Resetknopf in Ihrem Leben. Nicht um alles von heute auf morgen umzuwerfen, sondern im Kleinen zu beginnen. Mit einer kleinen Neujustierung, etwas weg vom Ich, hin zum Du.

David F. Sonntag

David F. Sonntag

Pastor am Dom zu Minden