Die Leute werden immer frustrierter. Immer mehr sehen sich benachteiligt. Viele glauben den letzten Verschwörungsschwachsinn, nur weil er das Gefühl bedient, alles werde immer schlimmer. Schuldig dafür gemacht werden die Benachteiligten, die angeblich mehr Gutes abbe­kom­men. Politische Kräfte schüren Neid und Zukunftssorgen, um ihre Macht zu sichern. Besser wird dadurch nichts. Wer sich früher engagierte, zieht sich ins Private zurück und erwartet keine bessere Zukunft mehr.
Was hilft gegen den Verdruss? Mir hilft der Spruch, der in der evangelischen Kirche über der neuen Woche steht: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Psalm 103,2). Ich erinnere die Hilfe, die ich schon erfahren habe und was mir im Leben geschenkt wurde! Ich spür dem in meinem Innersten wieder nach! Und dann fallen mir die wunderbaren Dinge ein. Ich werde dankbar für meine po­si­tiven Le­bens­erfahrungen. Dabei geht es nicht um eine rosarote Brille, die eine kri­ti­sche Sicht verhindert. Es geht um ein Erinnern, das mir hilft, den Blick zu wei­ten über das, was mir jetzt noch Angst machen will. Gott hat mir doch schon mal geholfen. Er wird auch wieder helfen. Solches Erinnern weckt Hoffnungskraft. Ich werde die Sorge los, zu kurz zu kommen, weil unser Sozialstaat dafür sorgt, dass Arme und Fremde ihre Menschenrechte erleben können. Ich setze mich wieder ein für ein gerechtes Zusammenleben aller. Gott (er)hält ja mein Le­ben. Dabei ist noch nicht alles gut.
Der Psalm spricht an, was falsch läuft und stellt dem Gott entgegen, „der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit“ (Vers 3-4). Frust verwandelt sich in Zuversicht, weil ich mich an Gott in meinem Leben erinnere. Das stärkt meine Resilienz, meine Widerstandskraft in diesen tatsächlich schweren Zeiten.
Ich wünsche Ihnen diese Erfah­rung vom Erinnern zur Hoffnung.

Michael Mertins

Michael Mertins

Superintendent im Ev. Kirchenkreis Minden