Er ist bei weitem nicht so dumm, wie man ihn schimpft, und gilt doch als Inbegriff der Genügsamkeit. Er frisst, was wächst, zieht Nahrung selbst aus Disteln und bedarf, so scheint es, weiter keiner Pflege. Wenn man ihm nur dann und wann ein Stück Brot reicht, das er mit samtweichen Lippen und größter Vorsicht vom Handteller nimmt und mahlend zerkaut – dann ist er das glücklichste Tier von der Welt. Sie ahnen längst – der Esel ist gemeint.
Der Esel war und ist in vielen Gegenden der Welt noch heute der anspruchslose, pflegeleichte Kleintransporter der Armen. „Der Esel braucht Futter, den Stock und seine Last“ – heißt es etwas abfällig bei Jesus Sirach. Der Verfasser dieses apokryphen Bibelbuches scheint Esel nicht wirklich zu mögen. Vielleicht hat er noch nie einem in die zutraulichen Augen geblickt, ihm über das blau-graue Fell gestreichelt oder und sich über das witzige Zwinkern seiner Ohren gefreut.
Auf einem Esel reitet Jesus in Jerusalem ein. Die Menschen begrüßen ihn jubelnd und halten ihm grüne Zweige der Hoffnung hin. Daher hat unser Palmsonntag seinen Namen. Dass Jesus den Esel wählt, hat dabei tiefen Sinn. „Es ist reine Gnade, Sanftmut und Güte, was hier von Christus gezeigt wird“ – sagt Luther zu dieser Stelle: „Er reitet nicht auf einem Hengst, der ein kriegerisches Tier ist. Jesus kommt nicht in schrecklicher Pracht und Gewalt, sondern sitzt auf einem Esel, unstreitig ein Tier, nur zur Last und Arbeit bereit, dem Menschen zu helfen. Damit zeigt er an, wie Christus kommt, nicht um den Menschen zu schrecken oder ihn zu unterdrücken, sondern ihm zu helfen und bereit, seine Last zu tragen und auf sich zu nehmen.“
Deshalb also reitet Jesus auf dem Esel in Jerusalem ein, um zu zeigen: Er ist an der Seite der Armen. Und er nimmt die Last der Bedrückten auf sich. Er will uns nicht von oben herab begegnen, vom hohem Ross herab, sondern von unten her, als einer, der mir tragen hilft. All das, womit ich mich abschleppe in meinem Alltag, will Jesus auf sich nehmen. Deshalb gehört der Esel in die Passionsgeschichte. Beim Propheten Sacharja heißt es daher:
„Du Tochter Zion, freue dich sehr, und du Tochter Jerusalem jauchze! Siehe dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.“
Einen gesegneten Palmsonntag und eine nachdenkliche Karwoche.
Christian Marcus Weber
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Hartum-Holzhausen