Letzte Woche war ich mit fast 60 SchülerInnen und einem Kollegen aus dem Leo-Sympher Berufskolleg in der NS-Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg. Wir besuchten die Ausstellung „Ideologie und Terror der SS“. Einer fragte, wie Menschen angesichts dieses Terrors, dieser Gräueltaten überhaupt noch an Gott glauben können. Warum Gott, wenn er allmächtig geglaubt wird, so viel unsägliches Leid zulassen kann. Fragen, die nicht nur nach den Erfahrungen im „Dritten Reich“ und im zweiten Weltkrieg viele Menschen gestellt haben. Darauf gibt es keine einfache Antworten. Aber es gibt das Erinnern. Und es gibt Gespräche mit Zeitzeugen – in der eigenen Familie und an anderen Orten der Gesellschaft. Das kann uns heute weiterhelfen. Eine Möglichkeit, den Gesprächsfaden mit Gott nicht abreißen zu lassen, ist die Bitte um Frieden. Es ist die Bitte um Aussöhnung und um Vergebung wie im Gebet von Coventry (1958), das die Aufgabe der Versöhnung in der weltweiten Christenheit umschreibt: Es wird an jedem Freitagmittag um 12 Uhr im Chorraum der Ruine der alten Kathedrale in Coventry und in vielen Orten der Welt gebetet, allein in Deutschland an 60 Orten.
„Nach der Zerstörung der Kathedrale im englischen Coventry im November 1940 durch deutsche Bomben ließ der damalige Dompropst Howard das Wort „Vater vergib“ in die Wand der Ruine meißeln. Das Gebet von Coventry greift dies auf:
„Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse:
Vater, vergib.
Das habsüchtige Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr eigen ist:
Vater, vergib.
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet:
Vater, vergib.
Unseren Neid auf das Wohlergehen und vermeintliche Glück der anderen:
Vater, vergib.
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge:
Vater, vergib.
Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,
Vater, vergib.
Der Rausch, der Leib und Leben zugrunde richtet:
Vater, vergib!
Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf dich,
Vater, vergib.
Lehre uns, o Herr, zu vergeben und uns vergeben zu lassen, damit wir miteinander und mit dir in Frieden leben. Darum bitten wir um Christi willen.“
Erinnerung versöhnt und heilt! Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen am Volkstrauertag
Maike Brodowski-Stetter
Pfarrerin am Leo-Sympher-Berufskolleg in Minden