Minden. „Versuchen wir es noch einmal ab Takt 10. Ab ‚wie der Hirsch schreit‘.“ Die Altstimmen könnten den Moment noch etwas emotionaler auskosten und etwas länger halten, und der Bass seinen Einsatz etwas genauer darauf abstimmen. Für Chormusiklaien hatte schon diese Probe Konzertqualität, doch für Kreiskantor Nils Fricke und seine musikalischen Mitstreiter soll jeder Ton genau sitzen. Denn am 15. Juni stehen sie alle im Mittelpunkt: Fünf Kinderchöre, die Kantorei der Christuskirche, der Jugendchor Tookula, das Orchester opus7 und einfach alle anwesenden Chormusikfans werden beim „Chor- und Singprojekt der Generationen“ ihre Stimmen in der „Musik für die Schöpfung“ erheben.
Zur Probe im Gemeindehaus an der Christuskirche war ein bunt gemischter Haufen zusammengekommen. Scooter, Fahrräder und Autos reihten sich an der Graßhoffstraße, und hinter der Kirche im Norden Mindens versammelten sich die jungen, jüngsten und nicht mehr ganz so jungen Sängerinnen und Sänger, skeptisch von dem auf dem Kirchturm brütenden Storchenpaar beäugt. Was die bunte Truppe einte, war die Begeisterung für Chormusik und der Spaß an der ungewöhnlichen gemeinsamen musikalischen Arbeit.
Im Gemeindehaus warteten bereits Kreiskantor Nils Fricke und Frauke Seele-Brandt von der Chorschule der Christuskirche. Nachdem alle ihre Plätze gefunden hatten, stieg die Spezialistin für Kinder- und Jugendchöre in ein paar athletische Warm-Up-Übungen ein. Nicht nur die Stimmen wurden aufgewärmt; auch der Rest des Körpers wurde mit einbezogen. Schultern wurden gelockert, Arme kreisten, das ganze Repertorium der Body Percussion wurde eingesetzt, um auf die richtige Arbeitstemperatur zu kommen. Chormusik verlangt vollen Körpereinsatz.
Dann nahm Nils Fricke seine Mitstreiter gleich mit in die Tiefen der „Musik für die Schöpfung“. Mendelssohn-Bartholdys Vertonung des 42. Psalms stand auf dem Programm. Mit seiner musikalischen Wucht und vielschichtigen Aussage ist das Stück eine ideale Vorbereitung auf Form und Inhalt des Konzerttags: Stimmgewaltige Chormusik mit ökologischer und zutiefst menschlicher Aussage. Wie der Ruf nach Regen aus dem monumentalen Elias-Oratorium, so trifft auch die Psalmvertonung den richtigen Ton zwischen akuter Existenzangst angesichts einer leidenden Welt und abstrakteren Sorgen.
Denn bei der „Musik für die Schöpfung“ geht es natürlich um die Umwelt, aber es geht auch um viel mehr, wie Kreiskantor Nils Fricke erklärt. Das Thema des Tages wird ganzheitlich verstanden. Im Sinne einer wirklich lebenswerten Welt kommen auch Fragen von Recht und Gerechtigkeit, Frieden, und Glaube auf. Schon bei Mendelssohn-Bartholdys Stücken herrscht die Dürre nicht nur auf den Feldern, sondern in den Herzen und Köpfen der Menschen. Dennoch soll es am 15. Juni, bei aller Sorge um die Entwicklungen in der Welt, aber nicht nur ernst und inhaltsschwer werden, sondern mit Spaß an der Sache und Leidenschaft für das gemeinsame Singen soll der Tag angegangen werden, und es kommen auch jüngere Klassiker wie „What a wonderful world“ aufs Parkett.
Los gehen wird der Tag voller Chormusik mit dem Auftritt der jüngsten Sängerinnen und Sänger: unter der Leitung von Frauke Seele-Brandt beginnen kurz nach 12 Uhr die Kinder- und Jugendchöre der Chorschule, die Lerchen, Tookulinis und Crescendo, zusammen mit dem Kinderchor von St. Andreas in Lübbecke um Kirchenmusikdirektor Heinz-Hermann Grube und dem Projektchor aus Holzhausen-Nordhemmern um Johanna Gartmann. Danach geht es gleich mit vereinten Kräften weiter, und alle Anwesenden, die Chormitglieder ebenso wie das Publikum, sind aufgefordert, beim Mitsingkonzert ab 14 Uhr selbst aktiv zu werden und in die „Musik für die Schöpfung“ einzusteigen. Für alle, die sich nicht trauen oder die eine Pause einlegen möchten, warten um die Christuskirche Erfrischungen in den Wandelpausen zwischen den Konzerten.
Beim Probentag konnten die jüngeren Mitsingenden sich bereits auf den Heimweg machen, während die restlichen Sängerinnen und Sänger sich auf das weitere Programm stürzten. Sie bereiteten sich auf das letzte Highlight des Konzerttags vor: den gemeinsamen Auftritt mit opus7. Ab 16 Uhr zeigen die Jugendlichen von Tookula und der Chor der Kantorei gemeinsam mit dem Lübbecker Orchester, was Chormusik über alle Generationen möglich machen kann.
Das Chor- und Singprojekt der Generationen wird ermöglicht durch das Engagement der vielen ehren- und hauptamtlich Mitwirkenden und durch fast 10,000 Euro Förderung durch den vom Deutschen Bundestag aufgelegten Amateurmusikfonds, der seit November 2022 Chöre, Orchester, Bands und vieles mehr aus dem Bereich der Amateurmusik unterstützt.
(Beitrag von Kevin Potter, Evangelischer Kirchenkreis Vlotho)