Gerade erinnerten sich die Israelis an ihre Staatsgründung vor 70 Jahren. Mehr als 50 Palästinenser starben gleichzeitig bei ihren Angriffen auf die verhassten Grenzanlagen am Gaza-Streifen. Da ist es geradezu irritierend, ein paar Tage später einfach den bunten Geburtstag der Kirche zu begehen, ja zu feiern. Pfingsten ist das christliche Fest der Geist-Ausgießung. So erst entstand und entsteht Kirche. Gottes Geist weht – und Kirche entsteht. Und genau in Jerusalem, der sogenannten Hauptstadt der Religionen, ging es vor fast 2000 Jahren los mit dieser Pfingstgeschichte. In Jerusalem, so lässt sich vereinfacht sagen, steht die Wiege des Christentums. Petrus predigte, wie uns die Apostelgeschichte es nacherzählt. 50 Tage nach Kreuzigung und Tod, nach einer Zeit unglaublicher Auferstehungserfahrungen – da sprach er von Jesus. Über Jesus. Im Namen Jesu. Und plötzlich wehte und brauste der Wind, der Geist, der Atem des Mannes aus Nazareth. Aber es war nicht der menschliche Geist nur eines liebevollen Wundertäters und vielbeachteten Redners. Es war der Geist, den Gott selbst schickte. Der die Menschen erfasste. Und sie waren, so verschieden sie alle dort in Jerusalem versammelt waren: Feuer und Flamme. Für die Sache Jesu. Dabei kamen die jüdischen Festbesucher bei dieser Geburtsstunde der Kirche aus aller Herren Länder, aus heute vergessenen Landschaften wie Phrygien und Pamphylien. Und sie sprachen eigentlich ganz verschiedene Sprachen. Beste Bedingungen waren das für schreckliches Unverständnis. Doch – der Geist Gottes führte sie zusammen. Gott selbst begeisterte die Menschen, erfüllte sie mit der Botschaft und Kraft Jesu – damals in Jerusalem. Tausende ließen sich taufen, fanden zu einer betenden, weitererzählenden und Güter teilenden Gemeinschaft zusammen. Und heute? Pfingsten überwindet alle Kultur- und Sprachunterschiede. Pfingsten vereinigt ganz unterschiedliche Menschen aus aller Herren Länder zu einer Gemeinde. Das kann Gottes Geist. Pfingsten ist also so ziemlich das Gegenteil von ängstlichem Verkriechen oder rassistischer Hetzerei. Dutzende christlicher Glaubensrichtungen werden auch dieses Jahr in Jerusalem Pfingsten feiern. Gleichzeitig ist einer christlichen Gemeinde `im Heiligen Land´ die friedliche Zusammenarbeit mit Jüdinnen und Juden, Muslimminnen und Muslimen eine Selbstverständlichkeit, wenn sie die Aufforderung des Apostels Paulus im Römerbrief ernst nimmt: „Haltet Frieden mit jedermann, so viel an euch ist.“ Wo Pfingsten Menschen Feuer und Flamme macht, können wir uns die Feuerflammen von Molotow-Cocktails und Panzern sparen.
Dr. Jörg Bade
Pfarrer am Leo-Sympher-Berufskolleg in Minden