Der Volkstrauertag ist ein Gedenktag, ein Tag des bewussten Hinsehens, des bewussten Erinnerns, des Vergegenwärtigen von Erfahrungen und Leid, die Generationen prägen. Und es ist der Tag, an dem wir uns fragen, wie können wir verhindern, dass Hass und Gewalt wieder so mächtig werden?
Im Mai feierten wir 80 Jahre Kriegsende in Deutschland – Grund zum Feiern, keine Frage, aber Gewalt und Hass sind nach wie vor an der Tagesordnung und fordern Menschenleben.
Wenn wir nichts machen, wenn wir nicht aufklären, widersprechen, hinsehen und hinhören, dann nehmen wir die Not der Leidtragenden nicht ernst, dann wischen wir ihre Tränen einfach beiseite und hüllen uns in Gleichgültigkeit.
Es ist leicht, festzustellen, wie schlimm das Schicksal der Opfer ist. Aber sich ihrem Elend zu stellen, ihnen zuzuhören, kann unendlich schwer sein. Jesus Christus spricht: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Es ist leicht, Veränderungen zu fordern, aber wenn ich mich verändern soll, dann finde ich viele gute Gründe, warum ich dieses und jenes nun doch nicht ändern kann. Jesus Christus spricht: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Es ist leicht, sich die Nachrichten von immer neuen Kriegen und Gewalttaten anzusehen und sich selbst in Sicherheit zu wähnen, zu denken, das ist weit weg und betrifft mich nicht. Jesus Christus spricht: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Dieser Satz rüttelt mich auf, am Volkstrauertag, aber auch an jedem anderen Tag, lässt mich aufhorchen und hinsehen.
Jesus fordert mich auf, hinzusehen, zuzuhören, einzutreten.
Dafür, dass Gewalt und Hass nicht die Oberhand gewinnen. Dafür, dass wir immer und immer wieder für Frieden und Versöhnung eintreten, dafür beten und diese Hoffnung nicht verlieren.
Jesus Christus spricht: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Luise Klein
Pfarrerin der Ev.-Luth. St. Martini Kirchengemeinde Minden