„Endlich Frühling!“, so wird so mancher denken. Auch wenn das gelegentlich wechselvolle Wetter noch nicht durchgängig zur sonnigen Stimmung führt, so gilt der Mai doch zur Recht als der Monat des Erblühens der Pflanzen, des Erwachens der Natur. Morgens schon vom Zwitschern der Vögel geweckt zu werden, ist für mich immer ein Zeichen der Lebensfreude im Frühjahr. Und schon morgens hinauf in einen blauen Himmel zu sehen, macht mir Lust auf einen erfüllten Tag.
Wenn es irgendwie die Zeit zulässt, dann zieht es mich in diesen Tagen auf das Rennrad. Dabei geht es mir nicht um das Anfahren touristischer Ziele oder das gemütliche Radelerlebnis. Ziel ist die Erfahrung körperlicher Leistungsfähigkeit, die sich niederschlägt in Höhenmetern, Entfernung und Geschwindigkeit. Höher, schneller, weiter! Es ist der Kampf, allein auf der Straße, Mann und Material! Der Weg wird für mich dann zur Herausforderung, wenn es bergauf geht und ich mit kräftigen Pedalschlägen eine Passstraße erklimme. Ein Hang ist für mich eine Versuchung, ein Angebot: die steile Straße ist mein Freund und die unmittelbare Erfahrung auf den dünnen Reifen, die jede Unebenheit der Straße sofort zurückmelden, das filigrane, kunstvoll konstruierte Rad, das jedes Aufbäumen der Kräfte in Vortrieb, jedes Zurücknehmen in sofortige Verzögerung umwandelt und das Brennen der Oberschenkelmuskeln, die im perfekten Zusammenspiel die Steigung buchstäblich erfühlen, durchfühlen, diese Erfahrung zieht mich aus der bequemen Ebene immer wieder auf die Rampen der Hügellandschaft des Wiehengebirges. Wenn ich dann auf dem Hügelkamm bin, die Straße flacher wird und wieder beginnt abzufallen, dies sind für mich auch geistliche Momente. Nahe dem offenen Himmel sein! Es ist vollbracht, das Werk ist getan! Der Geist war stark!
Am letzten Sonntag feierten die Christen unserer Stadt das Hochfest Pfingsten. Nach seiner Erlösungstat durch seinen Tod am Kreuz ist der Herr immer wieder als der Auferstandene den Jüngern und vielen weiteren Menschen erschienen. Es brauchte Zeit, Momente der Begegnung, des Berührens, des Sich-berühren-lassens, um diese tiefe Wahrheit ins Herz dringen zu lassen. Nun ist für Christus das Werk getan, der Lauf vollendet, der steile Hang seiner irdischen Existenz erklommen. Auch dieser Weg musste erkämpft, erfühlt, durchfühlt werden, um erfüllt zu sein. Und der sich öffnende Himmel, in den er aufstieg und vor
den Augen der Jünger verschwindet: er ist eine Verheißung der Heimat, auf die wir zugehen, die aber auch auf uns im Gekreuzigten zugeht!
Pfingsten bedeutet, dass er und der Vater, was wir im filioque des Glaubensbekenntnis bekennen, im Heiligen Geist gegenwärtig unter uns bleiben. Christliches Leben gelingt dann, wenn wir uns der lebendigen Präsenz des Heiligen Geist in unserem Denken, Beten, Handeln, Fühlen und Erhoffen, in unserer konkreten Be-Geisterung bewusst sind. Dazu braucht es aber auch immer wieder die Gabe der Unterscheidung der Geister, wie der Hl. Ignatius es uns lehrt.
Auch unser Lebensweg muss erfühlt, durchfühlt werden. Es ist unsere Hoffnung, dass er letztlich durch das Geheimnis der Auferstehung des Herrn, im unverdienten Geschenk des Heiligen Geist beim Vater erfüllt sein wird.
Ich wünsche Ihnen sonnige Tage und immer wieder neu die Gaben des Heiligen Geistes!
David F. Sonntag
Pastor am Dom zu Minden