Manchmal geht es mir noch immer so: ich schicke jemanden vor, wie ich es schon als Kind tat: „Frag Du lieber,“ sagte ich zum Bruder oder zur Schwester, versteckte mich hinter den Eltern und manchmal erwische ich mich noch dabei, dass ich meine Frau vorschicke: „Frag Du lieber!“ Bei einer Reise, in einem Geschäft, an einer unbekannten Tür. Natürlich frage ich heutzutage meistens selbst, aber wer kennt es nicht: gerade, dann wenn man nicht weiß, was oder wer einen erwartet oder eben nicht erwartet, stellt sich irgendwie das Gefühl ein: ich störe möglicherweise (diesen Eindruck kann man gelegentlich nicht ganz unbegründet in manchen Einrichtungen oder Geschäften haben), ich bin nicht willkommen, werde abgewiesen oder zumindest abweisend behandelt. Es klagen mir aber auch Menschen ihr Leid ihrer Erfahrungen, irgendwo abgewiesen worden zu sein: bei Behörden, bei der Job- oder Wohnungssuche, bei Verwandten oder Freunden, von denen sie anderes erwarteten. Und wer schon häufiger in seinem Leben schroff abgewiesen wurde, traut sich dann oft gar nicht mehr zu fragen, anzuklopfen, irgendwo anzurufen. Schon zu oft mussten sie hören: „Ich habe keine Zeit; hier sind Sie falsch; das geht mich nichts an!“ Die Verzweiflung von Menschen in Not kann man sich oft gar nicht schlimm genug vorstellen.

Jesus hatte häufig mit Menschen zu tun, denen es genau so ergangen ist, die völlig verzweifelt waren, weil niemand öffnete, niemand zuhörte, niemand half und da waren seine Worte und die Erfahrungen, die sie dann mit und bei ihm machten wie Balsam für die Seele. Hier bei ihm bin ich richtig, hier werde ich garantiert nicht abgewiesen.
Was er immer schon jedem Menschen versprach, kann uns nun für das neue Jahr 2022 als eine besondere Zusage begleiten. Was dieses Jahr bringen wird, keiner von uns weiß es! Dass der Weg ins neue Jahr nicht nur mit Hoffnungen, sondern mit vielen Befürchtungen um die Gesundheit, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Weltfrieden verbunden sind, brauche ich eigentlich nicht zu betonen. Es werden viele Menschen gute Adressen, Türen und Ansprechpartner*innen brauchen. Und bei allen Sorgen, möglicherweise abgewiesen zu werden oder wenn wir uns nicht trauen zu fragen, die Zusage Jesu gilt: „Ich bin niemals abweisend, weil ich anwesend bin.“ An jedem Tag, in jedem Augenblick auch in diesem neuen Jahr.

 

 

Pfarrer Bernhard Speller

Pfarrer Bernhard Speller

Assessor des Ev. Kirchenkreises Minden (stellvertretender Superintendent) und Pfarrer der Ev.-Ref. Petrigemeinde Minden