Minden. „Diese Synode wird in die Geschichte des Kirchenkreises als Musiksynode eingehen“: Der optimistische Ruf von Superintendent Michael Mertins bei der Tagung im Festsaal der Diakonie Stiftung Salem im April galt nicht nur dem Auftritt der jungen Sängerinnen und Sänger der Chorschule Christuskirche und des Kinderchors Holzhausen-Nordhemmern, sondern besonders der einmütigen Entscheidung der Synodalen für ein „Teamkantorat“. Doch was hat es damit auf sich?
Kreiskantor Nils Fricke möchte für die neuen Strukturen eigentlich keine Einzigartigkeit in Anspruch nehmen: „Teamkantorate gibt es sicher noch mehrere“. Und tatsächlich arbeiten in verschiedenen Kirchenkreisen der evangelischen Kirche in Deutschland Kirchenmusikerinnen und -musiker in verschiedenen Teamkonstellationen zusammen. Was die Idee eines Teamkantorats für den Kirchenkreis Minden dennoch besonders macht, ist, dass hier nicht einfach ein neuer Begriff einer gewachsenen Struktur übergestülpt wird. Stattdessen wird die kirchenmusikalische Architektur in Minden von Grund auf neu aufgebaut.
Es ist ein sanfter Bruch mit alten Strukturen, aber gleichzeitig auch ein lautstarkes Bekenntnis zur Kirchenmusik im Kirchenkreis. Die kreativen Köpfe um Nils Fricke, die an dem Konzept des Teamkantorats gearbeitet haben, nutzen die Gunst der Stunde: Personelle Veränderungen und der Generationenwechsel in der kirchenmusikalischen Landschaft in Westfalen bedeuten, dass Stellen vakant sind und vor der Nachbesetzung in ihrem Aufgaben- und Finanzierungsprofil neu aufgestellt werden können. Aus dem ursprünglichen Plan eines Kantorats für die Mindener Innenstadtgemeinden wurde daher schnell etwas Größeres. Zusammen mit dem Synodalen Ausschuss für Gottesdienst und Kirchenmusik, der Leitung der Bläserschule und einer eigenen Konzeptionsgruppe für die Kirchenmusik im Kirchenkreis wurde daher in Wochen und Monaten der Arbeit die Idee eines Teamkantorats entwickelt. Ihre Vision: Sie wollen die Kirchenmusik „in ihrer Vielfalt in allen Gemeinden des Kirchenkreises spürbar gestärkt“ und „als Leuchttürme mit großer Ausstrahlung in den Kirchenkreis hinein“ aufstellen.
In der finalen Ausgestaltung besteht das Mindener Teamkantorat aus vier sogenannten Kompetenzstellen. Dahinter verbirgt sich der Grundgedanke der Zusammenarbeit, der auch die anderen Regionalisierungsbestrebungen im Kirchenkreis Minden antreibt: Es wird nicht mehr im Eigenen und für die Eigenen gearbeitet, sondern alle bringen ihre spezifischen Gaben für das große Ganze ein.
Zwei der Kompetenzstellen sind auch bereits mit bekannten Gesichtern verbunden: Nils Fricke übernimmt als Kreiskantor die Kompetenzstelle Instrumental, zu der bekannte Ensembles wie das Collegium Musicum oder die Kantorei der Christuskirche gehören und zu der die klassischen Aufgaben des Kreiskantors wie die Gremienarbeit auf Kreis- und überregionaler Ebene zählen. Die Kinder- und Jugendchorarbeit verbleibt bei Frauke Seele-Brandt, die weiter die Chorschule Christuskirche mit ihrem bunten Strauß an Chören für die Kleinen, die Kleinsten und die nicht mehr ganz so Kleinen führt. Lothar Euen, dessen fast dreißigjähriges Engagement als Kreisposaunenwart in Minden im Mai endet, wird seine Aufgaben an die Kompetenzstelle Bläserarbeit übergeben. Die Arbeit des langjährigen Kreisposaunenwarts, fast ein Unikum in der Landeskirche, wird so in den neuen Strukturen bewahrt. Die Kompetenzstelle Vokal wird sich der Stadtkantorei und dem Kammerchor widmen. Unabhängig von der derzeitigen und zukünftigen Finanzierung sollen drei der vier Kompetenzstellen direkt in der Trägerschaft des Kirchenkreises liegen.
In der Praxis mag sich manches nicht von der derzeitigen kirchenmusikalischen Arbeit im Kirchenkreis Minden unterscheiden, denn es wird bereits viel über Gemeindegrenzen hinweg gearbeitet. So lief neben der Konzeptionsarbeit für das Teamkantorat auch schon die Vorbereitung für das große gemeinsame Chorprojekt „Musik für die Schöpfung“ im Sommer. Eine nachhaltig aufgestellte Kirchenmusik kann jedoch nicht von den Unwägbarkeiten einzelner Kooperationen abhängen, weiß Nils Fricke: „Es reicht nicht, nur voneinander zu wissen und gelegentliche Absprachen zu treffen. Die Musik muss als Team mit Aufgabenteilung und Ergänzung zueinander funktionieren“, sagt der Kreiskantor. „Gerade dafür brauchen wir auch die gemeinsame Anstellungsstruktur.“
Landeskirchenmusikdirektor Harald Sieger war als Fachberater der Landeskirche an der Ausarbeitung des Konzepts beteiligt und hat Nils Fricke bei dessen Vorstellung auf der Kreissynode unterstützt (Foto). Zusammen mit dem Mindener Kreiskantor hob er die immense Bedeutung der Kirchenmusik für die Bindung selbst kirchenferner Menschen an die Kirche hervor. Er lobte auch die starke musikpädagogische Leistung in der Region, die sich nicht nur in dem landesweit einzigartig verlässlichen Angebot von Kursen für C-Musiker zeigt. Aus- und Fortbildung ziehen sich als roter Faden auch durch das Konzept für das Teamkantorat. Der besondere Clou dabei: Die Synode richtet mit dem Konzept auch eine Stelle für ein eigenes Kirchenmusik-Kompassjahr ein. In diesem Freiwilligenjahr können junge Kirchenmusiktalente sich einbringen und die Vielfalt der musikalischen und kulturellen Arbeit im Kirchenkreis entdecken.
Mit diesem Bekenntnis zu einer langfristig sicheren Zukunft für die Kirchenmusik beantwortet das Teamkantorat auch die Herausforderung, die in seinem Konzept aufgestellt wurde: „Kirche muss sich weiterhin Gehör verschaffen.“