
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Grandios+Top+Phantastisch+Krass+Toll+Echt-Geil+Klasse+Wow+Be-happy!
Das bedeutet der Name dieses Sonntags im Kirchenjahr – Jubilate (lat.: Freut Euch)!
Ist das eine vergessene Vokabel, eine verordnete Haltung, eine wiederzufindende Wahrnehmung?
Wirklich Glücklich-Sein, vollkommen Zufrieden-Sein, geht das? Im Einprasseln der schnelllebigen Momente wenigstens flüchtig und ansatzweise; im Nachdenken schon eher grundlegender.
Der Kirchenjahresname führt auf eine Fährte: Ein Grund zum Feiern sind Jubiläen.
In diesem Jahr können wir auf 100 Jahre seit der Ausrufung der Weimarer Republik zurückblicken; und auf 70 Jahre des Bestehens unseres Grundgesetzes, sowie auf 30 Jahre seit dem Mauerfall zwischen den damals beiden deutschen Staaten.
Unser demokratisches Werden hat lange gebraucht, um zu reifen. Erst seit den gemeinsamen europäischen Anstrengungen währt der Frieden in Freiheit schon seit fast 2 Generationen. Daß diese freiheitlichen, demokratischen, menschen- und schöpfungswürdigen Grundwerte schon so lange gelten, ist ein Grund zum Jubeln. Daß es keine Garantie für den gegenwärtigen Stand gibt, ist nur allzu deutlich. Jubiläen haben 2 Seiten einer Medaille an sich: Zum einen die freudige und festliche Vergewisserung in die richtige Sache, zum anderen das anstrengende Vermächtnis, weiter in die richtige Sache zu investieren.
Der Sonntag Jubilate feiert die von GOTT geschaffenen Schöpfungswerte: Das Gleichgewicht der natürlichen Ressourcen, die Lebenszusammenhänge, in die wir hineingeboren sind und die die Gesamtheit aller Lebewesen braucht, um zu überleben, sind es wert: Grandios! Phantastisch! Echt!
Die im Grundgesetz verankerten Werte entsprechen dem Rahmen unseres christlichen Menschen- und Weltbildes. In aller Freiheit, in aller Vielfalt, in aller Würde können wir der guten Schöpfung immer wieder zu einer Neuschöpfung verhelfen, damit sie unseren Kindern und Enkeln in ihrer Weite und Güte erhalten bleibt und zugute kommt; aus einer grandiosen, anerkennenden, reflektierenden und reflektierten Grundhaltung heraus: „Wie wunderbar sind Deine Werke!“ (Psalm 66,3)

Iris Rummeling-Becht
Pfarrerin, Kirchengemeinde St. Marien, Bezirk St. Lukas, Minden
Der gute Hirte
Auf dem Materialschrank lebt Charlotte, sehr zur Freude der Kindergruppe. Denn Charlotte ist ein Schaf, ein Handpuppenschaf. Für die Kleinen ist noch nicht zu unterscheiden, ob sie echt ist oder nicht. Aber ihre Geschichten, die finden sie echt gut.
Charlotte erzählt nämlich, wie das so ist als Schaf: geborgen in der Herde, unternehmungslustig auf der Wiese, einsam in der Menge, getröstet und einmal sogar gefunden.
Die Kinder fragen nach Charlotte, sie wollen wissen, was sie in der letzten Woche so erlebt hat. Eigentlich hat sie ein ganz normales Schaf-Leben geführt. Das kommt gut an, denn Kinder finden sich in den Erzählungen wieder, vor allem, wenn sie von ihrem Hirten erzählt: ein Hirte, der jedes Schaf beim Namen kennt. Der sorgt dafür, dass es immer gute Weideplätze gibt. Er verjagt Angreifer und läßt den Tieren ihren Freiraum.
Nur wenig Kinder haben heute echte Schafe gesehen. Aber wenn Charlotte erzählt, dann können sie sich vorstellen, wie es Schafen geht, was sie erleben, wo Abenteuer und Gefahr sind, was ihnen guttut.
In der Bibel wird Jesus als der gute Hirte beschrieben, am kommenden Sonntag werden wir daran erinnert. Wenn ich mir das genau überlege, möchte ich nicht als „Schaf“ bezeichnet werden. Dieser Vergleich hat seine Grenzen. Aber Jesus als guten Hirten zu haben, das ist richtig gut. Bei Gott kann ich mich fallen lassen, da darf ich sein, wie ich bin. Auf einen guten Hirten ist Verlass, gerade in der Not. An ihn kann ich mich wenden mit meiner Angst und Sorge, aber auch mit meiner Freude, meinem Dank. In der Geschichte vom verlorenen Schaf erzählt Jesus, dass sich der Hirte auf die Suche nach dem einen macht, obwohl noch 99 andere da sein. Er hat sich riesig gefreut, als er es wieder gefunden hat. Die Kindergruppe kann das gut verstehen. Der Hirte kennt das Schaf mit Namen, es ist ihm wichtig. Die Kinder haben schnell begriffen: das gilt auch uns. Gott kennt uns beim Namen. Er geht uns hinterher. Wir dürfen zu ihm kommen.

Nicole Bernardy
Pastorin,
„wie neu geboren…“
Zärtlich nimmt die Mutter das Kind in den Arm, schaut sich das aufgeschlagene Knie an, tröstet und wischt die Tränen ab, die die Wange des Kindes hinunterlaufen. Nun kann alles wieder gut werden, zumindest ein Stück weit. Auch wenn wir erwachsen sind, gibt es diese Momente, in denen es so wohltuend ist, wenn wir getröstet werden. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen …“. Was für ein starkes Bild finde ich im letzten Buch der Bibel, gerade richtig für graue, trübe Novembertage. Die Worte berühren mich. Gott sieht jede Träne, die ein Mensch weint: Tränen der Trauer und des Schmerzes, Tränen der Verzweiflung und des Leids. Bei ihm sind sie gut aufgehoben. Ganz gewiss schaut er nicht aus irgendeiner Ferne auf unsere Sorgen und Nöte, vielmehr kommt er zu jedem und jeder von uns persönlich, rührt uns an. Wir dürfen unsere Tränen weinen, unseren Schmerz zeigen. Gott bietet sich als Adressat unserer Tränen an. Aber er ermutigt uns auch, die Trauer und die Tränen unserer Mitmenschen zu begleiten, Tränen bei ihnen abzuwischen. Gott tröstet. Oftmals erleben wir das durch liebevolle Worte, kleine Gesten und Zeichen, die ein anderer Mensch uns schenkt. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein …“ – Eine zärtliche Berührung Gottes, die etwas von dem erahnen lässt, das einmal sein wird. Es wird eine Zeit kommen, in der alle Tränen getrocknet sein werden. In Gottes Ewigkeit wird es keine Tränen und auch keinen Tod mehr geben. Dafür steht Jesus Christus, ein Lichtblick in den Schattenseiten unseres Lebens. Er hat dem Gott, der am Ende die Tränen abwischen wird, vertraut. Das dürfen wir auch. Alles kann gut werden.
Manchmal entfährt uns so ein Seufzer der Erleichterung. Etwa wenn wir nach anstrengenden Tagen endlich mal wieder ausschlafen konnten; oder wenn wir eine schwere Aufgabe hinter uns haben und nun wieder frei sind für die schönen Dinge des Lebens; oder wenn wir in einer Konfliktsituation reinen Tisch machen konnten und die Dinge nun geklärt sind; oder manchmal einfach nur, wenn wir nach schweißtreibender und staubiger Arbeit frisch geduscht sind und neue Wäsche anhaben. „Neu geboren sein“ – das steht für einen wirklichen Neuanfang, sei es im Kleinen wie im Großen. Es beschreibt das Gefühl, ohne Altlasten in das Kommende starten zu können.
„Quasimodogeniti – Wie die neugeborenen Kinder“. So heißt der morgige Sonntag. Die christliche Kirche hat dem 1. Sonntag nach dem Osterfest diesen Namen gegeben, um den neuen Zustand von uns Menschen zu beschreiben, der nach dem Kreuzestod Jesu und seiner Auferstehung eingetreten ist. Der Verfasser des 1. Petrusbriefes nutzt ebenfalls das Bild der Wiedergeburt, wenn er sagt:
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns durch seine große Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
Als biblisches Wort steht dieser Vers über diesem Sonntag und der kommenden Woche.
Gott hat den Tod besiegt, indem er Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Damit bekommen auch wir Anteil am Ewigen Leben, denn Christus ist für uns gestorben, er ist uns vorangegangen durch den Tod hindurch zum Leben. Der Tod kann uns nichts mehr anhaben! Das ist gemeint mit der „Lebendigen Hoffnung“, zu der wir „wiedergeboren“ sind. Für diesen befreienden Neuanfang sollen wir Gott loben. Die christliche Kirche tut dies seit Ostern vor zwei Jahrtausenden. Und sie wird es weiter tun, auch im Minden des 21. Jahrhunderts, und trotz mancher Schwierigkeiten der Kirche in der heutigen Zeit, solange man uns Christen noch an allen Tagen des Jahres anmerken kann, dass wir durch den glauben „wie neugeboren sind“ – zum neuen Leben befreit!

Christoph Ruffer
Pfarrer, St. Martini-Kirchengemeinde Minden