
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Braut und Hure
Zärtlich nimmt die Mutter das Kind in den Arm, schaut sich das aufgeschlagene Knie an, tröstet und wischt die Tränen ab, die die Wange des Kindes hinunterlaufen. Nun kann alles wieder gut werden, zumindest ein Stück weit. Auch wenn wir erwachsen sind, gibt es diese Momente, in denen es so wohltuend ist, wenn wir getröstet werden. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen …“. Was für ein starkes Bild finde ich im letzten Buch der Bibel, gerade richtig für graue, trübe Novembertage. Die Worte berühren mich. Gott sieht jede Träne, die ein Mensch weint: Tränen der Trauer und des Schmerzes, Tränen der Verzweiflung und des Leids. Bei ihm sind sie gut aufgehoben. Ganz gewiss schaut er nicht aus irgendeiner Ferne auf unsere Sorgen und Nöte, vielmehr kommt er zu jedem und jeder von uns persönlich, rührt uns an. Wir dürfen unsere Tränen weinen, unseren Schmerz zeigen. Gott bietet sich als Adressat unserer Tränen an. Aber er ermutigt uns auch, die Trauer und die Tränen unserer Mitmenschen zu begleiten, Tränen bei ihnen abzuwischen. Gott tröstet. Oftmals erleben wir das durch liebevolle Worte, kleine Gesten und Zeichen, die ein anderer Mensch uns schenkt. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein …“ – Eine zärtliche Berührung Gottes, die etwas von dem erahnen lässt, das einmal sein wird. Es wird eine Zeit kommen, in der alle Tränen getrocknet sein werden. In Gottes Ewigkeit wird es keine Tränen und auch keinen Tod mehr geben. Dafür steht Jesus Christus, ein Lichtblick in den Schattenseiten unseres Lebens. Er hat dem Gott, der am Ende die Tränen abwischen wird, vertraut. Das dürfen wir auch. Alles kann gut werden.

Beate Rethemeier
Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Dankersen
Frühjahrsputz
Wie reagieren Menschen, wenn sie von Gott angesprochen werden? Diese Frage stellte sich bereits, als Jesus mit großem Zulauf predigte. Viele ließen sich ansprechen, aber nicht alle. Manche machten regelrecht zu.
Dabei ist die Botschaft von Gott geliebt zu werden doch die beste Botschaft überhaupt. Besonders die Anständigen wollten diese Liebe, nicht mit den Unanständigen teilen. Sie meinten, dass sie sich Gottes Liebe hart erarbeitet hätten, das müssten die anderen erst mal nachmachen.
Sie erinnern mich immer an meine Gehölze im Garten. Mit den Jahren bekommen manche eine ganz schön harte Rinde und sie werden unten kahl.
Da kommen keine neuen Triebe mit Blüten mehr raus. Erst wenn die verständnisvolle Gärtnerin so manchen verholzten, harten Trieb zurück schneidet, besinnt sich der Strauch: Neue, biegsame Triebe treiben aus dem Rest des alten Holzes wieder aus und bringen neues Leben und Blüten.
Ich bewundere diese Sträucher, allen voran die Rosen, dass sie aus ganz altem Holz neue Triebe schieben können, wenn sie nur richtig geschnitten werden.
Der Schnitt weckt sie auf und sie antworten mit neuem Wachstum.
Und wir Menschen? Wir verhärten uns auch an so mancher Stelle unserer Seele, nicht nur in unserem Körper. Aus Enttäuschung, aus Angst, aus Trauer, vielleicht aus Lieblosigkeit, legen wir eine harte Rinde um unser Herz, wir verhärten uns und wir verkrümmen uns dabei.
Gott sieht aber die ‚schlafenden Augen‘ unter unserer Rinde. Die Möglichkeit von neuen Trieben, von neuem Wachstum auch im ganz alten Holz.
Dafür braucht es den beherzten Schnitt, der alte Zöpfe abschneidet.
Dazu braucht es den Weckruf von Liebe, Licht und Wärme im Frühjahr.
Die Zeit vor Ostern erschöpft sich nicht in einem wochenlangen Ausblick auf die Leiden Christi. Sie will unseren Blick auf Gottes Güte lenken, die uns reicher beschenkt, als wir es uns je verdienen könnten. Er sieht bei uns Möglichkeiten, wo wir schon aufgegeben haben.
Für alle Gärtner, die in diesen Tagen ihre Scheren schärfen und schauen,
wo ein Rückschnitt nottut: Schauen wir auch in unser Herz und schauen, was sich da verhärtet hat und einen Rückschnitt braucht.
Schauen wir liebevoll auf unser Leben und schneiden wir mit dem Bild der neuen Blüten vor Augen, die auch wir wieder treiben können, gewärmt und gestärkt von Gottes Liebe.
Er schenkt uns viel mehr Möglichkeiten, als wir in uns und an einander sehen können. Das wäre doch mal ein Frühjahrsputz!
Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht. Hebräer 3,15

Katja Reichling
Pfarrerin im Entsendungsdienst an der Christuskirche und am Albert-Schweitzer-Haus
Was für ein Vertrauen
Unter dieser Losung steht der nächste Deutsche Evangelische Kirchentag im Juni in Dortmund, zu dem an diesem Sonntag bundesweit in besonderen Gottesdiensten eingeladen wird.
Als Motto eines Kirchentreffens verstanden, klingt das, als würde ein Ausrufungszeichen gesetzt – von Menschen, die die Erfahrung machen konnten, dass sie mit Gottvertrauen durchs Leben gehen.
„Was für ein Vertrauen?“, wird aber auch die eine oder der andere fragen, wenn da, mitten in schweren Lebenserfahrungen, so gar kein Halt greifbar scheint und fromme Sprüche einfach an einem abprallen.
Es ist ein großes Glück, wenn Vertrauen zwischen Menschen gewachsen ist und sie es genießen können. Aber Vertrauen lässt sich nicht befehlen. Auch die vielfältigsten Argumentationen können Vertrauen zwischen Menschen nicht herstellen, denn es ist ein Gefühl, dass auf Erfahrung aufbaut und schnell brüchig wird.
Das Leitwort des Kirchentages ist einer Geschichte der Bibel entnommen. Ohne es selbst wirklich erklären zu können überstehen die Menschen eine völlig aussichtslose Bedrohung. Sie wissen: Mit unseren eigenen Kräften und Möglichkeiten hätten wir das nie geschafft. Ist es das Vertrauen – zu Gott – das sie gerettet hat?
Die Antwort bleibt offen. Vertrauen in aussichtsloser Situation wächst nicht durch scheinbar logische Erklärungen. Vertrauen lässt sich auch nur sehr begrenzt in guten Zeiten ansammeln, um dann die schlechten besser überstehen zu können.
Gott macht Menschen Mut, sich mit all ihren Zweifeln und Brüchen auf unbekannte Wege zu machen. Erst unterwegs zeigt er ihnen die eigenen Möglichkeiten – und die anderen Menschen, die in schlimmen Zeiten eine vielleicht unerwartete Stütze sind.
Dietrich Bonhoeffer drückte das in einem Vertrauensbekenntnis so aus: Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie uns nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.
Was für ein Vertrauen

Matthias Rausch
Pfarrer bis zum 28.2.19 in der St. Jakobus-Kirchengemeinde in Minden