
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Gedanken zum Sonntag,
Kaffee oder Tee? Nehme ich heute das Auto oder das Fahrrad? Jeden Tag treffen wir Entscheidungen, meistens ohne viel zu überlegen.
Schwieriger sind Entscheidungen von größerer Tragweite. Z.B.: Welchen Beruf möchte ich ausüben? Oder: Möchte ich in meinem Ruhestand in der Nähe meines Freundeskreises wohnen bleiben oder zu den Kindern ziehen?
Im Klinikum sind oft schwierige Entscheidungen zu treffen. Eine Patientin hat eine risikoreiche Operation vor sich. Wenn sie gut ausgeht, kann die Patientin wieder aktiv am Leben teilnehmen. Wenn nicht, kann sie dauerhaft pflegebedürftig werden. Die Patientin ist unsicher, wie sie sich entscheiden soll. „Mein Bauchgefühl ist klar“, sagt sie. „Mein Verstand spricht dagegen.“
Bei vielen Entscheidungen geht es letztlich um die Frage: Was ist gut für mich und die Menschen, die mir wichtig sind? Was ist für unsere Gesellschaft gut?
Vom „Herbst der Entscheidungen“ ist politischerseits die Rede. Über das, was gut ist, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben zahlreiche Menschen Entscheidungen getroffen, die besorgt stimmen.
Was ist gut? Das ist nicht immer leicht herauszufinden. Einen Maßstab dafür nennt der Prophet Micha: „Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir erwartet: (…) Recht tun, Güte lieben und achtsam mitgehen mit deinem Gott.“ (Mi. 6,8 Einheitsübersetzung)
„Recht tun“ bedeutet, sich beim Reden und Handeln an den Menschenrechten zu orientieren. Gut ist, sich zu entscheiden, ausnahmslos jedem Menschen Wertschätzung entgegenzubringen unabhängig von seiner Herkunft, Religion und Lebensform.
Wer Güte liebt, kann z.B. entscheiden, die kranke Nachbarin mit einem Besuch zu überraschen.
Gut ist, mit Gott unterwegs zu sein, der jeden und jede vorbehaltlos liebt. Mit Gott, die allen Menschen Gutes will und es erträgt, wenn wir auf schwierigen Wegen daran zweifeln. Gott traut uns zu, gute Entscheidungen zu treffen.
Eine ehrenamtliche Krankenhausseelsorgerin besucht die Patientin, die am Ende des Gespräches sagt: „Gott nimmt mir die Entscheidung nicht ab. Es fällt mir schwer, in die Operation einzuwilligen. Doch ich bin zuversichtlich, dass Gott an meiner Seite bleibt, egal wie sie ausgeht.“

Pfarrerin Melanie Drucks,
Ev. Krankenhausseelsorgerin, Johannes Wesling Klinikum Minden
Erntedank – eines der ältesten religiösen Feste der Kirche!
„Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut! (1. Tim.4.4)
Eine Aussage, die so losgelöst aus dem Zusammenhang zuerst einmal ambivalente, gemischte Gefühle auslöst – jedenfalls bei mir – auf den ersten Blick.
Ist ihnen zum Danken zu Mute? Zum Feiern von Erntefesten?
Hier zu Lande fielen die Ernten in diesem Jahr wegen später Fröste, großer Regenmengen und Überschwemmungen mancherorts geringer aus als sonst. In anderen Regionen der Welt gab es Wassermangel und Dürreperioden. Das ist für manchen beängstigend.
Dieser Tage fürchten sich Menschen auch in unserem Land vor Krieg und der Eskalation der Gewalt. Der Krieg in der Ukraine und der Nahostkonflikt sind Bedrohungen für den Weltfrieden und die Welternährung.
Wie so oft sind die schlechten Nachrichten Stimmungsmacher und fördern das Schwarzsehen – und die Angst. Sie verdunkeln die Sicht auf all das, was gut läuft und schüren die Angst, dass das eigene Leben bedroht sein könnte. In einer Welt voller Medien und Nachrichten, die sich in Windeseile über die ganze Welt verbreiten, steigt die Zahl der Schwarzseher und Ängstlichen. So war das auch bei den Leuten, von denen Paulus in seinem Brief an Timotheus im Neuen Testament schreibt: Sie „verbreiteten falsche Lehren, erfundene Geschichten“, die „zu sinnlosen Gedankenspielen“ und zu „leerem Geschwätz“ (Basisbibel) Anlass geben. Untergangsprediger gab es auch schon vor 2000 Jahren. Denen hält Paulus entgegen (1. Tim. 1, 5): „Das Ziel der richtigen Lehre ist vielmehr Liebe. Sie erwächst aus reinem Herzen, aus gutem Gewissen und aufrichtigem Glauben.“ Es ist also die Frage, welche Nachrichten ich verbreite, welchen ich glaube und zu welchem Zweck!
Erntedank. In der Bibel ist Dank die Reaktion des Menschen auf das rettende und lebensfördernde Handeln Gottes. Wenn wir glauben, dass uns Gott unser Leben geschenkt hat, dann kann Dankbarkeit zu einer lebensbestimmenden Haltung Gott und den Menschen gegenüber werden. Wir verdanken unser Leben Gott. Wir verdanken ihm unseren Lebensunterhalt und wenn wir lernen, dafür dankbar zu sein, auch wenn so manche Lebenssituation derzeit beschwerlich ist, wächst unsere Zuversicht, unser Lebensmut und unser Vertrauen. Das könnte unsere Beziehungen beeinflussen. Probieren sie’s aus!

Maike Brodowski-Stetter,
Pfarrerin im Ev. Kirchenkreis Minden, Schulpfarrerin am Leo-Sympher-Berufskolleg
Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen
Vor 30 Jahren habe ich etwas getan, was mein Leben bis heute prägt. Damals haben ich zum ersten Mal einen Gehörlosengottesdienst besucht.
Ganz ohne Vorerfahrungen traf ich (als Hörender) auf ungefähr 50 Menschen. Alle unterhielten sich lebhaft, aber ich verstand gar nichts, denn sie benutzten die Gebärdensprache. Das war eine wichtige Erfahrung für mich, denn so bekam ich eine Ahnung davon, wie es sich anfühlt, ausgeschlossen, fremd zu sein. Noch während des Kaffeetrinkens nach dem Gottesdienst machte ich erste Bekanntschaften und lernte die ersten Gebärden. Es dauert nicht lange und ich besuchte meinen ersten Gebärdensprachkurs und heute bin ich Pfarrer in der Gehörlosenseelsorge in der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Was mir erst später klar wurde: ich traf auf Menschen mit eigener Sprache und Kultur und damit auf Menschen, die einerseits in ihrer eigenen Welt leben. Andererseits leben sie in mitten der hörenden Welt. Sie arbeiten mit hörenden Kolleg*innen, wohnen in hörender Nachbarschaft, stammen meist aus hörenden Familien… . Fremd in der hörenden Welt zu sein, ist etwas alltägliches für sie.
Als Hörender bin ich bis heute ein Fremder in der Gemeinschaft der Gehörlosen, aber trotzdem hat man mich willkommen geheißen. Man hat sich mir zugewandt, mir geholfen, die Gebärdensprache zu lernen und mir als Pfarrer vertraut und mit mir gemeinsam versucht, lebendige Kirche aufzubauen.
Der letzte Sonntag im September ist der internationale Tag der Gehörlosen. Diese kleine Minderheit wird in den Blick gerückt. Ungefähr einer von Tausend Menschen ist gehörlos, also ca. 80.000 Menschen in Deutschland. (Nebenbei: „taubstumm“ wird als diskriminierend empfunden, denn mit Gebärdensprache ist niemand stumm.)
Wer als Hörende*r am ersten Sonntag des Monats um 15 Uhr in die Mindener Petrikirche kommt, kann im gebärdensprachlichen Gottesdienst die Erfahrung machen, fremd und gleichzeitig willkommen zu sein. Eine Erfahrung, die ein Leben verändern kann.
Weitere Informationen: www.gebaerdenkreuz.de

Christian Schröder
Pfarrer, Landeskirche Gehörlosenseelsorge