
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Urlaubszeit
Die Beine baumeln lassen, gemütlich auf einem Liegestuhl sitzen oder baden im Meer, wandern in den Bergen, die Wolken beobachten, die Vögel am Himmel wahrnehmen, das Leben genießen.
Wenn ich an dieses Lebensgefühl denke, dann kommen mir die Gedanken des Liederdichters Joachim Neander in den Sinn.
1680 dichtet er ein Schöpfungslob, dass seinesgleichen sucht:
EG 504
- Himmel, Erde, Luft und Meer zeugen von des Schöpfers Ehr; meine Seele, singe du, bring auch jetzt dein Lob herzu.
- Seht das große Sonnenlicht, wie es durch die Wolken bricht; auch der Mond, der Sterne Pracht jauchzen Gott bei stiller Nacht.
- Seht, wie Gott der Erde Ball hat gezieret überall. Wälder, Felder, jedes Tier zeigen Gottes Finger hier.
Dieses Loblied fühlt sich an wie ein großes Gemälde und verweist uns zugleich darauf, dass wir es mit Gottes Schöpfung zu tun haben, die wir genießen, in der wir uns erholen. Ein Gemälde aus den Händen Gottes, der uns diese einmalige Schöpfung anvertraut hat, damit wir sie in seinem Sinne bebauen und bewahren.
- Seht, wie fliegt der Vögel Schar in den Lüften Paar bei Paar. Blitz und Donner, Hagel, Wind seines Willens Diener sind.
- Seht der Wasserwellen Lauf, wie sie steigen ab und auf; von der Quelle bis zum Meer rauschen sie des Schöpfers Ehr.
Wirklich alles kommt aus Gottes Hand, von der kleinen Biene bis zum großen Wal. Diese Bilder entschleunigen mich in meinem Urlaub, laden mich ein, Ruhe und Erholung zu finden. Zugleich aber verweist mich all das, was ich in der Natur erlebe auch auf mich selbst und auf den Schöpfer aller Dinge:
- Ach mein Gott, wie wunderbar stellst du dich der Seele dar! Drücke stets in meinen Sinn, was du bist und was ich bin.
Denn Gott ist es, der uns das alles schenkt und anvertraut. Was also bleibt mir zu tun?
Urlaub machen – ja, und zugleich darauf achten, dass ich sorgsam mit dem Umfeld umgehe, in dem ich Urlaub mache, denn: Himmel, Erde, Luft und Meer, zeugen von des Schöpfers Ehr.

Thomas Pfuhl
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Martini, Bezirk Erlöserkirche
Der Schritt über dem Abgrund – oder: Vom Mut der Wanderfalken
Anfang März waren sie wieder da und hatten Mindens höchst gelegenes Fremdenzimmer im obersten Stockwerk des Marienkirchturms bezogen: die Wanderfalken. Schon Tage später lagen vier Eier im Gelege, aus denen vier flauschige Nachwuchsfalken schlüpften. Und im Mai bot sich wieder dieses jährliche Schauspiel: Vier inzwischen fast ausgewachsene Jungvögel sitzen in einer Reihe auf dem obersten Turmsims und warten, bis der erste den Mut für seinen ersten Flug bekommt. Andere Vögel können das Fliegen üben. Wanderfalken müssen es beim ersten Versuch bereits können. Flieg Vogel oder stirb. Ein Absturz aus 45 Metern Höhe geht nicht gut aus.
Falken sind in der christlichen Symbolik keine Sympathieträger. Sie machen Jagd auf kleinere Vögel, die für uns das Angenehme und Nützliche verkörpern. Singvögel, Insektenfresser und vor allem der Friedensvogel, die Taube, stehen auf ihrer Speisekarte ganz weit oben. Deshalb werden Falken, obwohl sie immer noch geschützt sind, auch heute noch Opfer von Giftanschlägen, Eierraub und Nestzerstörungen durch Menschen.
Wenn Mut und Entschlossenheit gefordert sind, sind Wanderfalken dagegen gute Ratgeber. Die Kirche der Gegenwart steht vor Aufgaben, die nicht aufgeschoben und nicht delegiert werden können und deren Lösung in der Geschichte keine Vorbilder kennt. Es müssen Entscheidungen getroffen werden. Und niemand weiß, ob die Ergebnisse zum erwünschten Ziel führen. Es braucht den Schritt über den Abgrund – mit dem Mut eines Jungfalken. Er ahnt, zum Fliegen geboren zu sein. Sein Weg ist bereits vorgezeichnet. Er sieht ihn aber erst, wenn er startet. Auf der sicheren Seite zu bleiben, ist keine Option. Und Rückblicke sind in dieser Lage fatal. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Himmelreich“, sagt Jesus. (Lukas 9, 62)
Jedes Jahr Ende Mai bekommen wir Anrufe von aufmerksamen Nachbarn, die einen Jungfalken gerettet haben. Einige dieser ersten Flugversuche enden in Kellereingängen, auf Autodächern, Gartenmauern oder Regenrinnen. Mut braucht das „Wir“. Gescheiterte Versuche brauchen eine nächste Chance. Auch darum weiß die Kirche. Sie kann nie tiefer fallen als in Gottes Hände.

Frieder Küppers
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Marien, Bezirk St. Marienkirche
Dem Himmel so nah
Manchen Urlaubsgegenden sagt man nach, dort sei man dem Himmel ganz nah. Erstaunlicherweise höre ich das weniger oft über die Berge, sondern dann, wenn jemand von seinem Urlaub am Meer schwärmt: „Dort fühle ich mich dem Himmel nah.“ Vielleicht liegt es am endlos scheinenden Horizont, der an der Küste zu sehen ist.
In einem kleinen Café in den Niederlanden „De Zeeuwse Hemel“ (zu Deutsch: Der seeländische Himmel) steht – passenderweise auf der Rückseite von Treppenstufen – „Stell dich auf Zehenspitzen und klopf am Himmel an!“ Das soll wohl heißen: Diese Treppe führt zwar nur ins nächste Stockwerk, doch wäre es nicht schön, bis an den Himmel zu reichen? Nur wie?
Wenn wir auf unseren Zehenspitzen an den Himmel klopfen möchten, aber feststellen, dass wieder mal die Arme zu kurz sind, dann kann uns der Gedanke trösten, dass Gott uns schon längst entgegengekommen ist. Ja, er ist in Jesus Christus selbst hier auf dieser Welt gewesen. Er kennt unsere Sehnsucht nach dem Himmel, nach Frieden und Gerechtigkeit.
Vielleicht nutzen Sie die Ferien, um eine Kirche aufzusuchen, eine Pause zu machen, etwas im Schatten zu sitzen und zu Atem zu kommen.
Wenn ich solche Pausen mache, dann hilft mir ein Lied von Gerhard Tersteegen. Im Jahr 1729 hat er, umgeben von wenig Schönheit, sein bekanntes Lied: „Gott ist gegenwärtig“ getextet:
Du durchdringest alles; lass dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte.
Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten,
lass mich so still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.
Diese sechste Strophe ist mein Sommerwunsch an Sie: In einer stillen Stunde sich der Sonne Gottes auszusetzen und seine Wirklichkeit wahrzunehmen. Vielleicht gelingt das an einem Urlaubstag, in einem Gottesdienst, Konzert oder bei einem inspirierenden Gespräch.

Olaf Mohring
Pastor der Kirche am Glacis, Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Minden