
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Was bin ich wert?
Gesamtschule Porta, 3. Stunde, Klasse 5. Wir sprechen in der Einheit “ich bin ICH“ darüber, was wäre, wenn alle Menschen gleich wären. Ein Kind schreibt: Wenn alle Menschen gleich wären, wären sie so hässlich und nutzlos wie ich.
Ich bin schockiert. Denn diese Worte sind ernst gemeint. Was muss dieses Kind erlebt haben, wie muss es behandelt worden sein, dass es so etwas über sich sagt. Nutzlos, wertlos, zu nichts zu gebrauchen. Dem muss ich vom Wort Gottes her widersprechen.
Was bist du wert – einer von 80 Millionen? Wer sieht dich? Wer bemerkt dich? Würde es überhaupt einer merken, wenn du nicht da wärest? Die einen sagen: du bist einzigartig. Die anderen sagen: jeder ist ersetzbar. Wer hat denn recht? Wer bin ich, wer bestimmt meinen Wert? Wessen Urteil zählt: das des Lehrers, das der Eltern, das der Mitschüler? Wer sagt dir mit Sicherheit, was dein Marktwert ist? Napoleon soll nach der Völkerschlacht über seine gefallenen Soldaten gesagt haben: Wertlose Masse!
Was bin ich wert? Was ist der Preis für einen Menschen? Gibt es eine Institution, die uns das verbindlich sagen kann?
Ja, die gibt es. Es ist Gott. Niemand ist ein Kind des Zufalles, jede und jeder von uns gewollt. Gott bestimmt unsere Würde und unseren Wert.
Vielleicht kennen Sie ja die Geschichte vom Verlorenen Sohn. Fern von Daheim mitten im Dreck, beraubt aller Ehre und Würde fällt ihm ein: Ich kann doch wieder nach Hause gehen. Und er erlebt: da wartet sein Vater mit ausgebreiteten Armen, nimmt ihn wieder auf und an. Er liebt ihn und schätzt ihn wert. Ihm zu Ehren wird ein großes Fest gefeiert. Also: du bist nicht hässlich und nutzlos, lass es dir gesagt sein.
Gott sagt: Weil ich dich für wertvoll erachte,
- Lebst du
- Werde ich dir nahe sein
- Will ich dich beschützen
- darfst du fröhlich sein und lachen
Wenn du zu mir kommst, gebe ich dich niemals auf.
Das verspreche ich dir. Wenn du mehr über mich wissen willst: frag Jesus, meinen Sohn. Er gab sein Leben, damit keiner sich hässlich und nutzlos fühlen muss.

Eckart Zinnke
Pfarrer an der Gesamtschule Porta Westfalica
Lieder ohne Grenzen
Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Psalm 98,1
Die Seele liebt Musik. Die Seele will singen und tanzen – nicht immer nur bei freudigen Anlässen, sondern auch bei Trauer, Sehnsucht, Hoffnung und Liebe.
Zu Ostern habe ich in einer Wohngruppe mit demenzkranken Menschen einen Ostergottesdienst gehalten und erkannte schon nach dem ersten Psalmgebet, das ich betete, dass die Worte niemand von den ZuhörerInnen wirklich erreichte. Manche redeten dazwischen oder gingen ihrem Bewegungsdrang nach und liefen im Raum umher. Doch dann erklang das erste Lied: „Unser Leben sei ein Fest!“ und die verwirrten Menschen wurden ruhig und entspannten sich! Sie sangen mit! Ihr Altgedächtnis erinnerte sich an den Text und sie sangen diesen zu der ihnen bekannten Melodie. Herrlich! Die Musik kann die Seele bewegen, die Musik bleibt im Kopf. Musik berührt uns. Musik beruhigt uns, schon die Mutter sang ihren Kindern ein Schlaflied. Teenies verschlimmern ihren Liebeskummer mit traurigen Balladen und glauben fest daran, dass es Ihnen hilft. Menschen erdulden Sklaverei und Rassismus durch die Heilkraft ihrer spirituellen Musik. Musik verbindet Menschen, macht es einfacher Schicksalsschläge auszuhalten. Es gibt Melodien, die weltweit gespielt und gesungen werden und da ist überhaupt nicht wichtig, welche Nationalität der Komponist hat.
Musik kennt auch keine Grenzen! Wir singen im Gottesdienst zum Lobpreis an unseren Gott, nicht nur am Sonntag Kantate. Wir singen dann gemeinsam für Gott, jeder auf seine Weise. Ob schön oder schief, ob laut oder leise, ob allein oder im Chor. Singen befreit und macht einfach Spaß. Singen weckt Gefühle. „Ein Lied kann eine Brücke sein“, sang schon Joy Flemming beim European Song Contest 1975, welches als Kultlied des ESC bis heute gilt. Eine Brücke von Mensch zu Mensch, von Mensch zu Gott.
Denn wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder! (Sprichwort nach Gedicht von Gottfried Seumes).

Schwester Andrea Brewitt
Oberin der Schwesterngemeinschaft in der Diakonie Stiftung Salem
Liegen bleiben
Kennen Sie noch den „Alten Fritz“? Zugegeben, meine Geschichtskenntnisse sind auch nicht die besten. Aber diesen Namen habe ich mir gemerkt. Der „Alte Fritz“. Man kennt ihn auch unter dem Beinamen „der Große“, verliehen an den preußischen König Friedrich II. (1712-1786).
Dieser war bekannt für seine religiöse Toleranz. Er selbst glaubte an Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde, aber zu den verschiedenen Ritualen von Religion hatte er ein gespaltenes Verhältnis: „Dabei ist doch viel Aberglaube und Firlefanz, der den Menschen nur von der Arbeit abhält!“
Als König musste er sich leider öfter mit diesem „Firlefanz“ beschäftigen, als ihm lieb war. Immer wieder wurde seine Entscheidung in religiösen Streitigkeiten eingefordert. Das strapazierte seine Geduld aufs Äußerste! Doch gerade in diesen Situationen, in denen er seinen Nerven einiges abverlangte, machte er seinem Beinamen „der Große“ alle Ehre.
So forderte ihn eines Tages eine Gemeinde auf, ihnen baldmöglichst den Pfarrer wegzunehmen, diesen am besten generell zu entlassen, weil er angeblich nicht an die Auferstehung der Toten glaube.
Wie erwartet reagierte Friedrich der Große äußerst gereizt. Umgehend ließ er der Gemeinde seine Entscheidung mitteilen: „Der Pfarrer bleibt! Wenn er am Jüngsten Tag nicht mit aufstehen will, so mag er ruhig liegen bleiben.“
Was für ein Richtspruch! Ich musste lachen. Und wurde dann nachdenklich. Wie ist das bei mir, möchte ich liegen bleiben?
Für manche ist eine Auferstehung der Toten nicht denkbar. So wie auch die Auferstehung Jesu nicht denkbar ist. Tot ist tot. Und wer weiß, ob es Gott wirklich gibt?
Der Schriftsteller Peter Härtling hat in seiner Konfirmandenzeit seinen Pastor mit genau dieser Behauptung herausgefordert: „Herr Pastor, ich muss Ihnen sagen: Gott ist tot!“ Der Pastor schaute ihn an und entgegnete: „Das musst du ihm schon selber sagen.“
Wieder eine weise Antwort, die auch mich herausfordert. Gott ins Angesicht schauen und für tot erklären. Liegen bleiben, wenn alle anderen aufstehen.
Ist es wirklich das, was ich möchte?

Pfarrerin Esther Witte
Ev.-Luth. Kirchengemeinden Schlüsselburg, Heimsen und Windheim/Neuenknick