Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Arbeiter im Weinberg – oder: Die Letzten werden die Ersten sein.

Samstagmorgen, 8.30 Uhr. Die Sonne scheint, das Leben in der Mindener Innenstadt schiebt sich langsam von der Hufschmiede zur oberen Altstadt hoch. Auf dem Weinberg an der Marienkirche ist schon Betrieb. Werkzeuge werden verteilt: Heilbronner Hacken. Besonders gut geeignet für die Bodenbearbeitung in Weinbergen. Aufgabe der heutigen Aktionseinheit ist die Auflockerung des Bodens um die neu gepflanzten Rebstöcke und die Anreicherung der kargen Erde mit frischem Mutterboden. Eine gemischte Gruppe hat sich zur ehrenamtlichen Arbeit eingefunden: eine Frau, sechs Männer – davon vier Protestanten, ein Katholik und zwei Muslime. Je länger die Arbeit dauert, desto nebensächlicher werden die Unterschiede. Der harte Boden, die schweißtreibende Arbeit und die hochstehende Sonne machen allen zu schaffen.
Um 11.00 Uhr ist Pause im Schatten des Südportals bei Wasser und Schorle. Wir kommen ins Gespräch über Religion und Weinanbau. In einigen islamischen Ländern, so erfahren wir von den kurdischen Mitarbeitern, ist das Keltern von Wein weit verbreitet. Immerhin gilt der Wein als Getränk des Paradieses. Im Christentum werden die Vorzüge des Paradieses im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg beschrieben (Matthäus 20): Die zuletzt am Tag angestellten Arbeiter bekommen zum Ärger derer, die schon seit den frühen Morgenstunden schuften, den gleichen Lohn, nämlich einen Taler ausgezahlt. „Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten werden die Letzten sein!“ So lautet die Begründung für diesen außergewöhnlichen Tarifvertrag. Gott schafft zur großen Freude der Benachteiligten einen Ausgleich. Leistung ist nicht alles. Der echte Bedarf zählt. Echte Gemeinschaft eben.
Gegen Ende der Pause kommt der Bote vom gegenüberliegenden Kaffeeladen. Alle bekommen zur Stärkung noch einen Cappuccino auf Kosten des Hauses gereicht – auch die Küsterin, die erst vor einer Viertelstunde kam, um nach dem Rechten zu sehen. Stimmt: Die Letzten werden die Ersten sein.

Frieder Küppers

Frieder Küppers

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Marien

Ihr hattet Böses mit mir vor, aber Gott hat es zum Guten gewendet!

„Unsere Schwester war immer Vaters Liebling…“ In bitterem Ton erzählt, die alten Verletzungen noch immer hörbar. Es gab nie ein klärendes Wort.
Der Satz oben steht am Ende einer Familiengeschichte des Alten Testaments. Sie erzählt von Jakob, seinen zwölf Söhnen und seinem Lieblingssohn, Josef. Von eifersüchtigen Brüdern, die ihn hassen. Als Jakob den Josef losschickt, nach den Brüdern zu sehen, kommt es beinahe zum Äußersten. Wir schlagen ihn tot! Doch einer hat Skrupel. Sie verkaufen ihn als Sklaven nach Ägypten. Dem Vater zeigen sie Josefs Mantel, voller Blut – ein wildes Tier habe ihn getötet. Ein Kartell des Schweigens – Vater darf die Wahrheit nie erfahren!
In Ägypten geht seine Geschichte weiter, sie erzählt von Vertrauen und Lüge, Intrigen und Undankbarkeit. Und Josef sitzt im Gefängnis. Bis zu dem Tag, wo Ägyptens Pharao träumt: Sieben große Kornähren, die von sieben dürren verzehrt werden; sieben fette Kühe, die von sieben mageren gefressen werden. Keiner kann die Träume deuten. Außer Josef. Auf sieben fruchtbare Jahre werden sieben Dürrejahre folgen. Josef wird zur rechten Hand des Pharaos. Lässt Speicher bauen.
Dann wird das Korn knapp, überall in den Ländern ringsum. Auch Jakob schickt seine Söhne nach Ägypten, Korn zu kaufen. Josef erkennt seine Brüder, sie erkennen ihn nicht. Er stellt sie hart auf die Probe.
Jakobs Familie siedelt über nach Ägypten. Ende gut, alles gut? Doch nach dem Tod Jakobs ist da plötzlich die schreckliche Angst, Josef könnte sich rächen. Im Rückblick auf sein Leben mit all den Wendungen beruhigt er sie, und spricht diesen erlösenden Satz. „Ihr wolltet mir Böses. Gott wendete Böses zum Guten.“
Dieses Fazit ist schon eine Zumutung für viele Lebenserfahrungen, wenn am Ende eben doch nichts Versöhnliches zu erkennen ist. Aber auch eine Ermutigung, manchmal geschieht so etwas wirklich.
Gott sei Dank.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

 

 

 

Dieter Maletz

Dieter Maletz

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Oberlübbe-Rothenuffeln

Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Geh aus, mein Herz, und suche Freud ist das wohl bekannteste geistliche Sommerlied zumindest des deutschsprachigen Protestantismus. Ganz sommerlich ist da etwa von der schönen Gärten Zier, von Täublein und Schwälblein, von schnellem Hirsch und leichtem Reh die Rede.

Wer sich jedoch die Lebensgeschichte des Lieddichters Paul Gerhardt (1607 – 1676) einmal genauer ansieht, mag sich wundern ob dieses so fröhlich und unbeschwert anmutenden Textes. Gerhardt erlebt den Dreißigjährigen Krieg in all seiner Länge und Grausamkeit, von fünf Kindern überlebt nur eines seine Eltern, auch seine Frau verliert er früh. Dies nur die heftigsten der vielfältigen Schicksalsschläge, die sein Leben prägen.

Und doch dichtet Gerhardt in diesem Lied nun von den schönsten Seiten der Welt und des Lebens. Wie geht das zusammen?

Ein Hinweis findet sich bereits in der allererste Zeile. Geh aus, mein Herz, und suche Freud. Freude möchte gesucht werden. Und zwar, indem man mutig in die Welt und in das Leben hinausgeht. In den (unvermeidlichen) Krisen des Leben wird das besonders deutlich, wenn Freude ihre Selbstverständlichkeit verliert und zuweilen mühsam errungen werden muss.

Die wahre Quelle für Gerhardts Freude jedoch kommt erst in der zweiten Hälfte des Liedes zum Ausdruck. Es ist sein, auch angesichts aller Schicksalsschläge, unerschütterliches Vertrauen auf Gott und seine Vorfreude auf das Leben in Gottes Reich, die ihn durch die Tragödien seines Lebens hindurchtragen und ihn dichten lassen:

Welch hohe Lust, welch heller Schein / wird wohl in Christi Garten sein! / Wie muss es da wohl klingen, / da so viel tausend Seraphim / mit unverdrossnem Mund und Stimm / ihr Halleluja singen?

So ein tiefes Gegründetsein in Gott wünsche ich Ihnen, wünsche ich uns allen. Und ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sommer, in dem Sie hoffentlich möglichst viel von dem erleben können, was Paul Gerhardt vor bald vierhundert Jahren so unvergesslich besungen hat.

Roman Groß

Roman Groß

Pfarrer der Ev.-Ref. Petri Kirchengemeinde Minden