133 Kitas vom NRW-Nordpunkt bis tief ins Ravensberger Land mit Hunderten Angestellten und Tausenden Kindern verantworten die Träger evangelischer Kindertageseinrichtungen der Kirchenkreise Herford, Lübbecke, Minden und Vlotho. Wie viele andere Träger sehen sie die Finanzierung ihrer Arbeit akut gefährdet und wandten sich daher an ihre Vertreter im Landtag. Die Abgeordneten Christian Dahm und Christian Obrok (SPD) folgten ihrer Einladung zu einem Austausch in Bad Oeynhausen.
Bessere Rahmenbedingungen, mehr Planungssicherheit und eine Entlastung des Personals: Mit diesem Anspruch war die Neufassung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiZ) 2019 auf den Weg gebracht worden. Doch steht nur dreieinhalb Jahr später den Trägern das Wasser bis zum Hals, so Tanja Moßwinkel, Geschäftsführerin des Kitaverbands im Kirchenkreis Vlotho: Ihrer Aussage nach sei das Tagesgeschäft nicht auskömmlich finanziert und müssten notwendige Investitionen in die Gebäude aufgeschoben werden. Auch verlange der Fachkräftemangel, dass mehr Ausbildungsplätze angeboten werden. Motivierte Bewerberinnen und Bewerber gebe es, aber manche müssten aufgrund der Finanzierungslücke abgelehnt werden.
Die Arbeit in den Kitas wird hauptsächlich über sogenannte Kindpauschalen finanziert. Die aktuelle Fassung des KiBiZ sieht vor, dass diese nicht mehr an abstrakte Steigerungsraten gebunden, sondern jährlich an die tatsächliche Kostenentwicklung angepasst werden. Eine an sich gute Idee, doch sie hat einen großen Haken: Die Fortschreibungsrate orientiert sich an Werten des Vorjahres für das jeweils folgende Kindergartenjahr, läuft also volle 20 Monate hinter den tatsächlichen Preisentwicklungen her.
Viel zu langsam, findet Carsten Schöneberg vom Trägerverbund evangelischer Kindertageseinrichtungen im Kirchenkreis Lübbecke. So beträgt die Rate für das Kindergartenjahr 2023/2024 nur 3,46 Prozent, bei einer vom Statistischen Bundesamt gemeldeten Inflation von 6,4 Prozent.
Schöneberg rechnet vor, was die Kostensteigerungen für seinen Verbund bedeuten: „Wir freuen uns über die Tarifabschlüsse für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst. Doch alleine für unsere 25 Einrichtungen sind das auch Mehrkosten von 1,5 Millionen Euro über das Jahr.“ Mehrkosten, für die die Träger mit Mitteln in die Vorfinanzierung gehen müssen, die sie lieber in die Weiterentwicklung der pädagogischen Angebote, Ausbildung neuer Erzieherinnen und Erzieher oder in ihren Gebäudebestand investieren würden
Christian Dahm ist sich als stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion des Problems bewusst. „Hilferufe aus ganz NRW“ erreichten ihn und seine Kollegen über Parteigrenzen hinweg. Seit der Ukrainekrise und besonders seit Anfang des Jahres habe sich die Dynamik merklich erhöht. Währenddessen bezeichne die Landesregierung die Lage als „schwierig, aber beherrschbar“, klagt Dahm und wirft den regierenden Parteien Realitätsverweigerung vor.
Noch ein „heißes Thema“ sind die Gebäude, die meist im letzten Jahrhundert gebaut wurden und nun saniert werden müssen. Die stellvertretenden Superintendenten Holger Kasfeld aus Herford und Wolfgang Edler aus Vlotho betonen die Klimaziele der Landeskirche und die dafür gedachten Mittel, doch sei bei vielen Gebäuden eine Sanierung nicht mehr bezahlbar. Auch für Dirk Mußmann vom Kitaverband des Kirchenkreises Minden ist die Gebäudefrage zentral. Er sieht Renovierungs- und Neubaubedarf in der Fläche, doch seien die Fördersätze, wenn er mit Investitionen in Vorleistung ginge, schlicht fernab der aktuellen Realität im Baugewerbe.
Christian Obrok, der als Familienvater und Elternbeirat seiner Kita die „Zustände“ persönlich kennt, erwähnt auch Positives: Das erfolgreiche Alltagshelferkonzept wurde in Form der Kitahelfer neu aufgelegt, damit Erzieherinnen und Erzieher ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen können. Doch wieder ist ein Haken dabei: Ursprünglich voll vom Land gedeckt, müssen nun die Träger diese Kräfte ohne Ausgleich anteilig tragen, und die kurzfristigen Entscheidungen verschärfen die Personallage. „Verträge von Halbjahr auf Halbjahr: Wenn wir fehlende Planungssicherheit sagen, meinen wir eigentlich Menschen, die nicht wissen, wie es für sie weitergeht“, mahnt Ulrike Barg, Fachberaterin des Mindener Verbands. Obrok pflichtet ihr bei: „Wir wollen, dass Menschen in den Beruf kommen, sich niederlassen und selbst Familie haben. Da müssen sie doch ihr Leben planen können.“
In einem Punkt waren sich alle Teilnehmer einig: Das Ziel in der jetzigen sehr schwierigen Situation sei es, so Dahm und Obrok, mit Sofortmaßnahmen „erstmal den Kopf wieder über die Wasserlinie zu bringen“ und dann die Neufassung des Kinderbildungsgesetzes aktiv voranzutreiben.
(Beitrag von Kevin Potter / Evangelischer Kirchenkreis Vlotho)