Regen ist nicht nur gut für die Natur. Regen hält mich in der Wohnung und ich gehe in das Zimmer, wo so alles lagert, was keinen richtigen Platz in der Wohnung gefunden hat. Ich schaue in die Regale und hinter die Schranktüren. Ach, denke ich, „das“ hast Du auch noch?! Es ist gefühlt eine Ewigkeit her, seit ich „das“ zum letzten Mal in der Hand hatte. Ich beschließe, mich nun endgültig davon zu trennen… Schließlich ziehe ich einen Karton aus dem Schrank. Darin lagern Bilder. Sie führen mich in längst vergangene Tage. Sie zeigen Menschen, deren Namen ich nicht einmal mehr kenne. Und auch wenn mir die Menschen fremd geworden sind, verbinde ich mit dem ein oder der anderen Erlebnisse, Begegnungen und jene Zusagen, dass man sich besuchen werde. Das ist lange her und zu dem Besuch ist es nie gekommen. Die Wege haben sich getrennt. Müßig darüber nachzusinnen, was aus der einen oder dem anderen geworden sein mag. Ich werde mich von den Bildern trennen, ohne Groll. Meine Familie kann mit den Bildern nichts anfangen und die Geschichten, die ich damit verbinde, erschließen sich meinen Angehörigen nicht. Es gab Zeiten, da hätte ich festgehalten, aufbewahrt und nichts losgelassen von alle dem, was ich in meinem Leben zusammengetragen und erlebt habe. Ich hätte meine Kinder mit Geschichten genervt, die ihnen letztlich immer fremd geblieben wären. Doch diesen umfassenden inneren Konflikt lasse ich los, wie ich die Bilder und Gegenstände loslasse. Und mir fallen Worte aus dem ersten Buch Mose ein: „Steht … nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten und willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.“ (1. Mose 13,9) Ich lebe heute, im Hier und Jetzt, habe Menschen, die mir verbunden sind, gehe Aufgaben nach, die mich erfüllen. Die Vergangenheit ist vergangen und die Menschen auf den Bildern sind ihren Weg gegangen und ich bin den meinigen gegangen. Und der Lebensweg hat mich immer weitergebracht. Ein Segen, der vielleicht von mancher und manchem so nicht gesehen wird, weil es Menschen mitunter nicht gelingt, loszulassen von dem, was unwiederbringlich vergangen und verloren ist. Sie bleiben hängen und gefangen in Erinnerungen und sie sehen mitunter nicht, was jeder Tag an neuen Lebensmöglichkeiten bereithält. Wer sich dagegen dankbar trennt und sich dem Leben, den Menschen um sich und neuen Herausforderungen zuwendet, der wird gesegnet und das erkennt man dann sogar an Tagen, an denen es regnet. Seien Sie gesegnet.
Christoph Kretschmer
Pfarrer, am Freiherr vom Stein Berufskolleg