Der Pulli muss noch mit. Die Sonnenmilch darf ich nicht vergessen. Klamotten für warmes und kühleres Wetter. Klar, Bücher dürfen nicht fehlen. Urlaubslektüre. Der Koffer ist sehr voll. Nur mit Mühe bekomme ich ihn zu. Er ist viel zu schwer. Ich kann ihn kaum tragen. Das geht natürlich nicht. Also öffne ich ihn und beginne auszupacken. Diese Jacke brauche ich vielleicht doch nicht. Die Jogginghose muss auch wieder raus. Nach einer Weile mache ich den Koffer wieder zu. Jetzt ist er etwas leichter. Aber schaffe ich es, ihn die Treppe runter zu tragen?
Der Lebenskoffer vieler Menschen ist schwer. Eine zerbrochene Beziehung kann auch nach längerer Zeit noch weh tun. Die Trauer um einen geliebten Menschen wiegt schwer.
Patienten und Patientinnen, die ich als Krankenhausseelsorgerin besuche, erzählen von dem, was sie mit sich schleppen, z. B. von einer schlimmen Diagnose, die Angst macht, oder von einer chronischen Erkrankung, die das ganze Leben durcheinanderbringt.
Ein Lebenskoffer lässt sich nicht einfach wieder auspacken, damit er leichter wird. Was passiert ist, kann ja nicht rückgängig gemacht werden. Was ist, wenn er zu schwer wird?
Geteiltes Leid ist halbes Leid, weiß der Volksmund. Apostel Paulus schreibt (Gal. 6, 2 BasisBibel): „Helft einander, die Lasten zu tragen. So erfüllt ihr das Gesetz, das Christus gegeben hat.“– also das Gebot der Nächstenliebe.
Eine Pflegekraft spricht einem Patienten Mut zu, und schon wird ihm etwas leichter ums Herz. Ein Seelsorgegespräch kann entlasten und helfen, den Lebenskoffer zu tragen. Auch eine Trauerbegleitung, eine Selbsthilfegruppe, eine Psychotherapie, ein Gesprächskreis in einer Kirchengemeinde.
Wer sich geliebt weiß, kann innerlich stark werden. Wer ein offenes Ohr findet, muss den Lebenskoffer nicht allein schleppen.  
Und mein Urlaubskoffer? Der war mir für die vielen Treppenstufen dann doch zu schwer. Ich habe meine Nachbarin um Hilfe gebeten. Sie hat ihn für mich sogar zu der Stelle getragen, wo ich ihn aufgeben konnte.

Pfarrerin Melanie Drucks

Pfarrerin Melanie Drucks

Ev. Krankenhausseelsorgerin, Johannes Wesling Klinikum Minden