„Ich möchte auf den Apostel Paulus und seine klare und weise Anordnung im Brief an die Römer 13 verweisen, wonach die Gesetze der Regierung befolgt werden müssen, weil Gott die Regierung zu seinen Zwecken eingesetzt hat.“ Das sind die Worte, mit denen ein amerikanischer Minister die Praxis verteidigt, illegal eingewanderte Familie auseinanderzureißen, minderjährige Kinder von ihren Eltern zu trennen.
„Den Angeklagten wird Geschlechtsverrat vorgeworfen in Verstoß gegen Römer Kapitel 1 Vers 26.“ Das sind die Worte, mit denen ein amerikanischer Staatsanwalt einen sehr kurzen Prozess gegen zwei Frauen eröffnet, die in einer illegalen, homosexuellen Liebesbeziehung miteinander leben.
Zwei Szenen. Die eine bittere Realität, die andere düstere Zukunftsvision. Eine davon wurde von der amerikanischen Regierungssprecherin Sarah Huckabee Sanders mit den Worten kommentiert: „Es ist sehr biblisch, das Gesetz anzuwenden.“ Welche der beiden Szenen sie damit meinte, das tut fast nichts mehr zur Sache.
Das erste Zitat stammt von Jeff Sessions, dem derzeitigen Justizminister unter Präsident Donald Trump. Das zweite aus einer Folge der Serie „Der Report der Magd“, basierend auf dem gleichnamigen Zukunftsroman der letztjährigen Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels, Margret Atwood. Der Roman schildert die Gedanken einer Frau, die in nicht allzu ferner Zukunft in einer von christlichen Fundamentalisten geleiteten Diktatur auf amerikanischen Boden lebt. Frauen haben dort keine Rechte mehr, keine Freiheiten. Die wenigen unter ihnen, die nach etlichen Naturkatastrophen noch schwanger werden können, werden von der Oberschicht als regelrechtes Zuchtvieh genutzt, um für sie Kinder zu zeugen, ganz nach dem biblischen Vorbild von Rahels Magd Bilha aus dem 1. Buch Mose 1,1-3. Lesbische Frauen gelten in diesem Staat als „Geschlechtsverräterinnen“, die ausgemerzt werden müssen. All das wird mit der Bibel in der Hand begründet.
Wem das zu weit hergeholt, abwegig, ja empörend erscheint, der führe sich unsere Realität vor Augen, in der hohe amerikanische Würdenträger tatsächlich mit der Bibel in der Hand das Handeln ihrer Regierung rechtfertigen wollen; in der christliche Fundamentalisten schon im Münster der Reformationszeit vor fast 500 Jahren einen christlichen Gottesstaat aufbauten und mit der Bibel die Mehrfrauenehe und Hinrichtungen von Abweichlern begründeten. Das sollte für uns das wirklich empörende und furchteinflößende sein: die Heilige Schrift als Argument missbraucht zu sehen – für den eigenen Machterhalt, für die Unterdrückung anders denkender und anders lebender Menschen. Mit der Bibel in der Hand sollte niemals menschliche Grausamkeit und Unterdrückung begründet, sondern göttliche Gnade und Freiheit verkündet werden.
Marc Bergermann
Pfarrer in der Ref. Petri-Kirchengemeinde Minden