In letzter Zeit ist deutlich geworden: Sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen ist in unserer Gesellschaft weiter verbreitet als man denken würde. Auch vor Kirchenmauern und diakonischen Einrichtungen machen sexuelle Übergriffe nicht halt. Das ist eine erschütternde Erkenntnis und eine Tatsache, der man sich stellen muss, zugleich.
In einem groß angelegten, bundesweiten Prozess will die EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) nun dafür sorgen, dass im kirchlichen Kontext klare Standards zum Schutz vor und im Umgang mit sexualisierter Gewalt entstehen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf wird die Evangelische Kirche von Westfalen auf der Landessynode im November zur Beschlussfassung vorlegen. In Zusammenarbeit mit der Diakonie ist unter dem Motto „Hinschauen – helfen – handeln“ ein Konzept entstanden, in dessen Mittelpunkt Schulungen für hauptberufliche und ehrenamtliche kirchliche Mitarbeitende stehen.
Im Evangelischen Kirchenkreis Minden hat den Auftrag für diese Schulungen Uwe Bleicher übernommen, der als Sexualpädagoge viele Jahre lang für die Beratungsstelle „die fam“ der Diakonie Stiftung Salem gearbeitet hat. Für die Mindener Diakonie hat er bereits diverse Fortbildungen zum Schutz vor Grenzverletzungen der sexuellen Selbstbestimmung durchgeführt. Jetzt ist er mit einem Umfang von 25 Prozent einer Vollzeitstelle im Auftrag des Kirchenkreises und in Sachen „Hinschauen – helfen – handeln“ unterwegs. In den letzten Wochen hat er sein neues Thema bereits auf der Pfarrkonferenz, bei Kirchenmusikerinnen und –musikern sowie im Jugendreferat „juenger unterwegs“ vorgestellt. Zuletzt hat er einen Workshop für pädagogische Leitungskräfte und Qualitätsbeauftragte in evangelischen Kindertageseinrichtungen (KiTa’s) begonnen.
„Um Kinder und Jugendliche bestmöglich vor sexualisierter Gewalt zu schützen, müssen zunächst Erwachsene für das Thema sensibiliert werden“, erklärt Bleicher seinen Auftrag. Kirchliche Mitarbeitende bräuchten Wissen zum Beispiel über Strategien von Täterinnen und Tätern, über juristische Hintergründe und Umstände, die Übergriffe begünstigen.
Wie können Mitarbeitende zum Beispiel in KiTa’s, in der Chorarbeit oder auf Jugendfreizeiten Gefahren ermitteln und sexualisierte Gewalt zweifelsfrei erkennen? Wie können Kinder geschützt werden? Was ist zu tun, wenn ein Verdacht auf sexuelle Übergriffe im Raum steht? Fragen wie diese stehen im Zentrum des groß angelegten Prozesses. Künftig sollen sie überall im Kirchenkreis Minden im kirchlichen Kontext offen gestellt, diskutiert und beantwortet werden. „Eine Schlüsselrolle spielen dabei Leitungskräfte wie Pfarrerinnen und Pfarrer, Presbyterinnen und Presbyter sowie Mitarbeitende in der Jugendarbeit“, sagt Superintendent Jürgen Tiemann. „Ihre Aufgabe ist es, Risikoanalysen, Schutzkonzepte und Interventionspläne zu erstellen.“