Manchmal gehen wir lieber im Halbdunkel. Nicht, weil wir die Dunkelheit mögen, sondern weil sie uns schützt. Sie lässt Raum für Ausreden, für kleine Kompromisse, dafür, dass wir noch nicht ganz so weit sind. Im Schatten müssen wir uns nicht rechtfertigen – nicht vor anderen, und oft auch nicht vor uns selbst. Wir spielen ein stilles, frommes Versteckspiel, und es fühlt sich sicher an. Doch das Evangelium dieses Sonntags spricht vom Licht. Ein Licht, das in die Welt gekommen ist – und das uns herausfordert, unser Versteck aufzugeben. Es ist kein grelles, entlarvendes Licht, sondern das Licht Christi, das Leben schenkt. Wer sich ihm stellt, riskiert, dass etwas sichtbar wird: unsere Schwächen, aber auch unsere tiefsten Sehnsüchte. Und genau dort beginnt Veränderung. Nikodemus, der nachts zu Jesus kam, um unerkannt zu bleiben, warte diesen Schritt – vorsichtig, tastend, suchend. Auch unser Weg beginnt oft so: zwischen Fragen und Hoffen. Doch irgendwann spüren wir, dass das Licht ruft. Dass wir uns nicht länger hinter frommen Ritualen, Ausreden oder halben Wahrheiten verstecken können. Ins Licht zu treten, heißt nicht, perfekt zu sein. Es bedeutet, ehrlich zu werden – vor Gott, vor anderen, vor uns selbst. Dort erkennen wir: Gott sieht mich – mit allem, was ich bin, und mit allem, was ich noch werden kann. Und er bleibt. Im Licht verliert die Angst ihre Macht. Was uns belastet, wird leichter, weil wir es nicht länger verstecken müssen. Und wo wir selbst Licht empfangen, können wir es weitergeben – durch ein offenes Wort, einen Akt der Versöhnung, ein stilles Gebet. Vielleicht ist das der eigentliche Mut des Glaubens: das fromme Versteckspiel zu beenden und Schritt für Schritt ins Licht zu gehen – und zu vertrauen, dass wir dort nicht verurteilt, sondern angenommen und lebendig werden.

Priester Oliver Rütten
Bezirksvorsteher Neuapostolische Kirche Minden