Millionen Menschen beschließen jährlich unter dem Motto „7 Wochen Ohne“, der Fastenaktion der evangelischen Kirche, bis Ostern eine Zeitlang auf Gewohntes zu verzichten.
Für manche heißt das: kein Alkohol, kein Nikotin, kein Fleisch, keine Schokolade oder andere Süßigkeiten. Manche verzichten aufs Fernsehen, ganz Mutige fasten Autofahren oder die sozialen Medien.
Wie wäre es, wenn ich in diesem Jahr besonders auf meine Gedanken achte und auf Klatsch und Tratsch, spitze Bemerkungen und zweideutige Kommentare bewusst verzichten würde?
Es ist so einfach und so leicht, sich über diejenigen zu erheben, die falsch informiert sind, es einfach nicht verstehen, leichtgläubig sind, die eben so ganz anders sind als ich.
In unserer leicht zu erregenden Welt gibt es immer jemanden, der mir einen Grund bietet, mich über ihn oder sie aufzuregen.
In den wöchentlichen Friedensgebeten beten wir miteinander das Vaterunser. Dort heißt es „…und vergib uns unsere Schuld, genauso wie wir denen vergeben, die an uns schuldig geworden sind“.
Hier zeigt Jesus Christus den Ausweg aus der Streitspirale: Ich fange an und steige von meinem Sockel der Überheblichkeit herab und entschuldige mich, wenn ich mich im Ton vergriffen habe und bitte Gott und Menschen um Verzeihung.
Ist es einfach? Nein!
Im Kirchenjahr nehmen wir uns die Zeit vor Karfreitag, um uns anzuschauen, wie Jesus Christus mit dem Hass, den Schmähungen und der Gewalt umgegangen ist. Wir halten an Karfreitag inne, um daran zu denken, wie groß die Leiden waren, die Jesus auf sich genommen hat und wie groß die Liebe sein muss, so etwas durchzustehen. Zu Ostern feiern wir die Auferstehung Jesu, den Sieg der Liebe, die Möglichkeit, dem Hass etwas entgegenzusetzen.
Ist das eine Utopie, also eine Vorstellung, die schon in Gedanken existiert, aber noch keine Realität ist?
Ich weiß mich von Gott geliebt und hole mir dort meine Kraft, und doch ist es meine Herausforderung an jedem Tag: Der Liebe mehr Raum zu geben, dem anderen Gutes zu unterstellen und nicht vom Schlimmsten auszugehen. So versuche ich als Ostermensch zu leben.
Ich wünsche es Ihnen und mir, dass wir es schaffen, Liebe und Versöhnung Raum zu geben.
Olaf Mohring
Pastor der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Minden