Minden. „The day thou gavest, Lord, is ended“: Das unverkennbare Auf und Ab im Dreivierteltakt des berühmten englischen Kirchenlieds hallt durch die Thomaskirche in Minden. Ellertons Abendlied von 1874 ist ein wahrer Evergreen geworden, auch wenn Cosmo Gordon Lang, der Erzbischof von Canterbury, es einst als „schwaches Wältzerchen“ abtat. Es erklang zur Trauerfeier von Queen Elizabeth II. und ist nicht aus englischen Kirchen wegzudenken. Aber was macht ein anglikanisches Abendlied in einer ostwestfälischen Kreisstadt?

Die Antwort findet sich im Schaukasten der Kirche am Schwabenring: „Together in Christ: Sunday Service in English“ prangt auf dem Plakat. Ein Sonntagsgottesdienst in englischer Sprache für Teilnehmer aller Nationalitäten und Konfessionen. Gemeinsames Gebet, Gesang und Gemeinschaft werden versprochen, und natürlich: „Tea and biscuits“.

Menschen aus 115 Nationen wohnen in Minden, von Vertretern so exotischer Regionen wie St. Helena im Südatlantik bis hin zu den Gastarbeitern und ihren Nachkommen oder  den Flüchtlingen und Vertriebenen der letzten Jahre. Mit dabei sind 212 Briten, viele von ihnen die Überbleibsel der britischen Rheinarmee. Bis zu 8000 britische Soldaten waren gleichzeitig in den Kasernen der ehemals preussischen Garnisonsstadt stationiert, und sie haben Minden fast ein halbes Jahrhundert lang geprägt. Viele sind nach ihrer Dienstzeit geblieben und haben an der Weser Familien gegründet. Nach dem Wegzug der britischen Armee und Schließung der NAAFI, des Globe Cinemas und des Red Shield Clubs der Heilsarmee blieb ihnen der Veteranenclub der Royal British Legion und das abendliche Programm auf dem Soldatensender BFBS, aber oft kein kirchlicher Anknüpfungspunkt für die konfessionell vielfältigen Engländer, Waliser, Schotten, Iren und Angehörigen des Commonwealths. Die katholische Kapelle an der Rhodesia-Kaserne am Grimpenwall und die Garnisonskapelle auf dem St.George’s-Gelände in Minderheide sind längst Geschichte.

„Wir wollten diese Menschen erreichen“, erklärt Pfarrer Michael Brandt, der zusammen mit Pfarrerin Catharina Bluhm mitten in der Coronazeit die Idee für diesen besonderen Gottesdienst hatte. „Und gekommen sind sie und noch viele andere.“ Als Vorsitzender des Ökumeneausschusses des Kirchenkreises Minden, ein Amt, das er auch nach seinem Wechsel in den Nachbarkirchenkreis Vlotho innehat, ist es ihm ein Anliegen, Menschen über Konfessions- und Sprachgrenzen hinweg in der Kirche zusammenzubringen. Seit mittlerweile fast zwei Jahren findet daher der Sunday Service als kirchenkreisweiter Gottesdienst statt. Zusammen mit seiner Kollegin aus der Mindener Simeonisgemeinde, zu der die Thomaskirche gehört, und dem ehrenamtlichen Team leitet er weiterhin die englischsprachigen Gottesdienste.

„Wir machen keine anglikanische Liturgie, sondern einen Gottesdienst für alle, mit Liedern und Gebeten, bei denen jeder einsteigen kann“, betont Michael Brandt. Das offene Format gibt ihm recht: Der Gottesdienst wird seit dem ersten Sunday Service im Juli 2022 immer beliebter. Manche Mindener mit afrikanischen Wurzeln, die mittlerweile eine wachsende Gruppe der englischsprachigen Mühlenkreisbewohner ausmachen, haben auch den Weg in die Thomaskirche gefunden. „Und was uns anfangs überraschte: Es sind immer Deutsche dabei. Manche haben persönliche Verbindungen nach Großbritannien, manche möchten ihre Sprachkenntnisse fit halten, und manche möchten einfach einen englischen Gottesdienst erleben.“ Musikalisch unterstützt werden die Teilnehmenden von Frances Benkel. Die Kirchenmusikerin und seit letztem Jahr Leiterin des Seniorenchors der Diakonie Stiftung Salem stammt selbst aus Großbritannien und bringt das Gespür für den richtigen britischen Ton mit.

Am ersten Sonntag fast jedes Monats treffen sich in der Kirche am Schwabenring die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Organisatoren und freuen sich auf neue Begegnungen beim Sunday Service. Der nächste englischsprachige Gottesdienst findet am 7. April um 16 Uhr statt. Unter dem österlichen Motto „Saved – Errettet“ heißt es auch dieses Mal wieder: Gemeinsam feiern, singen und beten, auf Englisch, aber für alle. Und natürlich gibt es auch Tee und Kekse.

(Beitrag von Kevin Potter / Evangelischer Kirchenkreis Vlotho)