In den beiden letzten Wochen kam im Fernsehen ein Mehrteiler unter dem Thema: „Charite“, der über das Berliner Zentral- und Forschungskrankenhaus berichtete.
Der Film erzählte über den Arzt Rudolf Virchow, der 1858 die Zelle enddeckte und von Robert Koch, der plötzlich den Tuberkelbazilluns entdeckte, und damit den Weg freimachte für das, was wir heute Impfung nennen.
Tuberkulose, Cholera, Typhus und andere Infektionserkrankungen gab es schon früher, trotzdem waren es noch keine Epidemien oder wurden höchstens als „Massenerkrankungen“ wahrgenommen.
Aber die Verelendung der Arbeiterschaft, der Run in die Fabriken der Städte, das Wohnen auf engstem Raum bei mangelhaften sanitären Bedingungen und der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich schaffte so viel Krankheiten, dass die Krankenhäuser geradezu barsten, zu Sterbekliniken wurden, und sich in größeren Säälen die Tuberkulosekranken zu Tode husteten.
Dann erst, als die Gesellschaft aufwachte, entstand ein Veränderungsdruck, dass der Staat Geld in die Hand nahm. Labore wurden gebaut oder vergrößert, sodass die Forschung intensiviert werden könnte.
Eine geradezu zynische Frage beschleicht mich, wenn ich mir die Entwicklung der Medizin am Ende des 19 Jahrhunderts anschaue und zum Teil auch den Umgang mit der Pandemie in unserer Zeit, zumindest bei Einigen.
Muss der Mensch erst leiden, bis er alle Kräfte einsetzt und das Leiden bekämpft?
Ich befürchte, man muss diese Frage zumindest teilweise mit „ja“ beantworten.
Der Mensch ist immer auch ein „Gewohnheitstier“, es fällt ihm häufig schwer, eingeschlagene Wege zu verlassen. Im Extremfall denkt er sich „alternative Fakten“, zu deutsch Unwahrheiten aus, um sein Verhalten nicht ändern zu müssen.
Wie ein roter Faden zieht sich jene Aufforderung nach Nüchternheit und Wachsamkeit durch das Evangelium „seid nüchtern und wachsam“.
In vielen Fällen ist dieses Wort auf das endgültige Kommen Christi im Tod gerichtet. Aber es bedeutet auch Wachsamkeit gegenüber den Zeichen der Zeit, Nüchternheit und das Ringen um Wahrheit und Lösungen und erhöhte Aufmerksamkeit, wenn das Gewohnheitstier Mensch auch nach einem Erdbeben die alten Wege geht und nicht miteinkalkuliert, dass das Beben unter Umständen eine tiefe Schlucht in seinen gewohnten Weg gerissen hat.
Wohl dem, der in dieser Zeit nüchtern und wachsam bleibt!
Wolfgang Ricke
Kath. Pfarrer am Johannes Wesling Klinikum