Baum raus, Lichterketten abgehängt, Gestecke entsorgt, Geschenke umgetauscht, Plätzchen aufgegessen, Lauftraining wieder aufgenommen – zurück zur Tagesordnung. Mag sein, dass uns der Abschied von den Weihnachtsgegebenheiten diesmal sogar leichter gefallen ist als sonst. Die schrecklichen Bilder aus der Ukraine und aus Israel haben die Festlaune ja ohnehin ziemlich getrübt. Jedenfalls ist Weihnachten für diesmal abgehakt. Wirklich?
Der biblische Spruch für den morgigen 2. Sonntag nach Epiphanias legt uns eine andere Sichtweise nahe:
Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade (Johannes 1,16).
So deutet der Evangelist Johannes die Geburt des Gottessohnes: In ihm zeigt sich die unendliche, unerschöpfliche Liebe Gottes und seine immerwährende Gnade über uns Menschen. Denn Jesus Christus kommt nicht als Saisonerscheinung in diese Welt, sondern als der, der mein ganzes Leben erfüllen, erneuern, bestimmen, erhellen will! Der große, erhabene Gott wird Mensch wie wir. Er, der alles und jeden geschaffen hat, bindet sich an Raum und Zeit und geht so den Weg seiner Menschen mit. Vom ersten Schrei im Stall zu Bethlehem bis zum letzten Stöhnen am Kreuz von Golgatha teilt er unsere Wirklichkeit.
Das kann mein Leben verändern, wenn ich diese Botschaft wirklich annehme und sie nicht wie den Baum entsorge. Und es kann mich trösten und mir Zuversicht geben, wenn ich an dieser Welt mit ihren Schrecknissen verzweifle.
Die Festdekoration mag wieder für zehn Monate im Keller verschwinden. Doch die Weihnachtsbotschaft von der Mensch gewordenen Liebe Gottes begleitet uns – immer, in aller Fülle und gegen alle Widrigkeiten des Weltgeschehens.
„Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und –schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld“. So drückt es der Liederdichter Jochen Klepper in einem Adventslied aus, und er beschreibt damit die Spannung zwischen dem Neuen, das ein für alle Male geschehen ist, und seiner stetigen Erneuerung in uns.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ganzjährig frohe Weihnachten!

Christoph Ruffer

Christoph Ruffer

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische St.-Martini-Kirchengemeinde