Porta Westfalica. Bis zu 26 Meter über die Köpfe der Besucherinnen und Besucher ragte die Stollendecke im Jakobsberg. Dennoch kam die beklemmende Wirkung nicht von den tonnenschweren Gesteinsschichten über ihnen, sondern von der Geschichte des Ortes. Eine Gruppe aus der Verwaltung und den synodalen Diensten war zu Besuch in den Stollen an der Porta Westfalica, geleitet vom Team der KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V.

Von den britischen und amerikanischen Bomberverbände an den Rand des industriellen Zusammenbruchs getrieben, suchte die nationalsozialistische Kriegswirtschaft nach Wegen, wichtige industrielle Anlagen sicher und versteckt unterzubringen, oft unter der Erde, in alten Tunneln und Bergwerken. Berüchtigt die erste Untertageverlagerung, die Vorbild für viele weitere wurde: die U-Verlagerung der V2-Raketenproduktion von der Peenemünde nach Thüringen, unter schwersten Bedingungen von den Häftlingen des KZs Dora-Mittelbau tief im Berg gebaut. Auch an der Porta Westfalica wurde diesem Vorbild gefolgt, wie die Gruppe aus dem Kirchenkreis erfahren konnte.

An der Porta Westfalica, verkehrsgünstig gelegen mit Zugang zu Straße, Schiene und Fluss, fand sich ein geeigneter Ort: die Steinbrüche über und unter Tage der prominenten jüdischen Hausberger Familie Michelsohn. Die in Generationen von Bergleuten in die Flanke des Jakobsbergs geschlagenen Sandsteinbrüche wurden in nur wenigen Monaten viele hundert Meter weiter in den Berg getrieben, um nach ersten Planungen Zulieferbetriebe für die Jagdflieger-Produktion und später eine Raffinerie für spezialisierte Schmieröle aufzunehmen. Unter dem Tarnnamen Dachs 1 entstand hier Raum für modernste Raffinierietechnik und im oberhalb gelegenen, zweiten Stollensystem im Jakobsberg, für die Produktion von Radioröhren. Nur wenige Wochen bevor die Raffinerie ihren Betrieb hätte aufnehmen können, wurde die in Zwangsarbeit und unter menschenunwürdigen Bedingungen erstellte Untertageverlagerung vor der heranrückenden Front aufgegeben.

Mitten durch die riesigen, verklinkerten Öltanks führte Thomas Lange vom Gedenkstättenverein die Gruppe aus dem Kirchenkreis. Tief in den Berg ging es entlang der Schutthaufen, die von Bau und Demontage der Anlage und vom – noch bis kurz vor der Jahrtausendwende regelmäßig stattfindenden – Abbau des Portasandsteins übrig blieben. Immer wieder konnten die Besucherinnen und Besucher Spuren der Häftlinge entdecken: Reste der Lorenbahnen, die Bohrlöcher für Sprengungen und das in frischen Putz gekratzte Sgraffito eines italienischen Häftlings. Aus diesen Entdeckungen und den detail- und kenntnisreichen Erzählungen des Leiters der Gedenkstätte wurde die Geschichte des Ortes lebendig.

Thomas Lange beschrieb in eindrücklichen Worten auch die Erlebnisse des jungen französischen Häftlings Pierre Bleton, der mehrere Monate im KZ Barkhausen und in den Stollen an der Porta überlebte und seine Erinnerungen „Le Temps du Purgatoire“ überschrieb, des Dänen Jørgen Kieler, und der jungen ungarischen Jüdin Gita Mann, die als 14-Jährige deportiert und später im Jakobsberg Radioröhren für Philips herstellte. Noch 2017 kehrte sie zurück an die Porta und berichtete dem Gedenkstättenverein von ihrer Zeit im Frauenlager Hausberge. Auch in anderen berühmten Häftlingsmemoiren wird das Lager erwähnt, so bei Wieslaw Kielar, der als einer der ersten Häftlinge nach Auschwitz kam und die gesamte Geschichte des Vernichtungslagers überlebte. Auch er kam schließlich an die Porta und erwähnt in seiner Erinnerungen „Anus Mundi“ seine Zeit im KZ Barkhausen, mit der Häftlingsbaracke im ehemaligen Festsaal des Hotels Kaiserhof und den Stollen in den Bergen links und rechts der Porta Westfalica.

Sie waren die Überlebenden unter vielen Toten. Doch auch die vielen Dutzend zu Tode gearbeiteten und ermordeten Häftlinge, die nach dem Krieg auf den Friedhöfen in Barkhausen und Lerbeck gefunden wurden, sind nur ein kleiner Teil der Opfer des KZs an der Porta. Mit perfider administrativer Logik sind die Opferzahlen für Porta Westfalica geschönt: Bis an den Rand des Todes wurden die völlig unterversorgten Häftlinge zur Arbeit gezwungen und dann, wenn sie nicht mehr arbeitsfähig oder in der Sprache der Lager „Muselmänner“ waren, wurden sie in Viehwagen gepfercht, um ins Stammlager verbracht zu werden. Noch auf dem Transport oder nach der Ankunft in Neuengamme oder in einem der vielen Außenlager des Hamburger KZs starben viele von ihnen, ohne in der Statistik für Porta Erwähnung zu finden. Einzig die Zahlen über die dänischen Häftlinge lassen die Dimensionen vermuten: Bis zu 40 Prozent der Dänen, die nach Porta Westfalica gebracht worden waren, überlebten ihre Zeit in den nationalsozialistischen Lagern nicht.

Link zum Gedenkstättenverein: https://www.gedenkstaette-porta.de/

Online-Ausstellung „Am Ende des Tunnels kein Licht“: https://ausstellung.gedenkstaette-porta.de/

(Beitrag von Kevin Potter / Evangelischer Kirchenkreis Vlotho)