Seit einiger Zeit kann man beobachten, dass Autos aus dem Kreise Schaumburg wieder das RI für Rinteln auf ihrem Kennzeichen haben. Im Hochsauerlandkreis tauchen jetzt plötzlich wieder Kennzeichen auf, wie AR für Arnsberg oder LÜD für Lüdenscheid. Demonstrative Heimatverbundenheit!
Heimat, vor 20 Jahren noch mit dem Unterton „Jodeln“ oder „Dorfdeppen“ behaftet, scheint wieder auf ein echtes Bedürfnis hinzuweisen: Wo bin ich zu Hause, wo komme ich her, wo gehe ich hin?
Grundmenschliche Fragen, die sich der Mensch beantworten muss, will er nicht in Orientierungslosigkeit oder gar Bedeutungslosigkeit fallen.
Die Lebensräume werden größer, die Wirtschaftsräume unübersichtlicher und die Bedeutung der Religion wird von vielen Menschen ohne sorgfältige Prüfung häufig unterschätzt. Aber nichts schafft so sehr Identität, nichts gibt so stark Antwort auf die Frage: Wer bin ich, wo ist mein Zuhause, wo komme ich her und wo gehe ich hin, wie die Beziehung zu Gott und das Leben in der Gemeinschaft der Religion.
Allerdings wenn die religiöse Identität des Menschen nicht mit Aufmerksamkeit und kritischer Durchdringung gepflegt wird, dann fliegt sie dem Menschen oder der ganzen Gesellschaft nach einiger Zeit als primitive aber explosive Ideologie um die Ohren.
Im Wort „identitär“, das von ultrarechten und aggressiven Gruppen im Moment gerne gebraucht wird, das sich abgrenzend nach außen wendet, hat aber auch eine kaum bewusste Sehnsucht nach einem nicht nur äußeren Ort, an dem ich meinen Platz, meine Identität und meinen Halt habe, wo ich weiß, wer und wo ich bin..
Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 2. Weltkrieges hat diese Sehnsucht nach einem Ort der Identität nicht gestillt, sondern uns durch zwei Weltkriege Abgrenzung und Feindschaft beschert.
Auch wenn Familie und Beruf den Menschen starke Identität schenken können, so sind es doch zerbrechliche Identitäen, die durch die Halbwertzeit von Gesundheit und Lebensbegrenzung kaum bis zum Ende des Lebens durchtragen. Rentner und Verwitwete können davon ein Lied singen.
Letztlich braucht der Mensch seinen Halt, seine Identität in der Beziehung zum Ewigen, den wir Gott nennen, wenn wir seinen Namen auszusprechen wagen.
Wolfgang Ricke
Kath. Pfarrer am Johannes Wesling Klinikum