
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Interesse statt Mitleid
Als Pfarrer für gehörlose Menschen erlebe ich immer wieder: weil ich hören kann, fällt mir manches leichter. Mal eben irgendwo angerufen, und schon ist ein Problem gelöst oder eine Frage beantwortet. Wer nicht telefonieren kann, muss andere Wege suchen.
Gehörlose Menschen leben in einer hörenden Welt, die eben nicht die Gebärdensprache spricht, darum erleben sie Barrieren. Dabei geht es nicht nur um das Telefonieren, es geht um die Kommunikation im Alltag insgesamt: auf der Arbeit, auf dem Amt, in der Schule der Kinder, beim Anwalt oder Arzt usw.
Wer sich nun mitleidsvoll vorstellt, wie schwer es gehörlose Menschen haben, ist auf dem Holzweg. Denn wer Mitleid hat, begegnet dem Gegenüber nicht auf Augenhöhe. Wer auf die Gebärdensprache angewiesen ist, wird nicht dadurch behindert, dass er oder sie nicht hören kann. Vielmehr sind es fehlende Gebärdensprachdolmetscher*innen oder die mangelnde Kenntnis der hörenden Mehrheit über die Sprache, Kultur und das Leben gehörloser Menschen. Offenheit für die Situation anderer, der Versuch mit Händen und Füßen oder schriftlich zu kommunizieren oder ganz einfach das vorurteilsfreie Interesse für eine andere Sprache und Kultur, das sind angemessene Reaktionen auf die Situation gehörloser Menschen, aber nicht Mitleid. Denn trotz unterschiedlicher Erfahrungen und einer ganz anderen Sprache, verbindet hörende und gehörlose Menschen mehr als sie auf den ersten Blick trennt.
Als Christen sehen wir in jedem Menschen zuerst ein Geschöpf Gottes, dem die gute Botschaft zugesagt wird. Damit heben wir die zuerst so naheliegenden Unterschiede auf. Das ist gemeint, wenn wir im Galaterbrief im 3. Kapitel lesen: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Weil wir in Christus zusammengehören, können sich hörende und gehörlose Menschen mit Interesse und Offenheit begegnen und Barrieren abbauen.
Am 28.09.25 ist Tag der Gehörlosen, der uns genau dazu einlädt. Weitere Informationen: www.gebaerdenkreuz.de

Pfarrer Christian Schröder
Gehörlosenseelsorge in der Ev. Kirche von Westfalen
Durch Erinnern zum Hoffen
Die Leute werden immer frustrierter. Immer mehr sehen sich benachteiligt. Viele glauben den letzten Verschwörungsschwachsinn, nur weil er das Gefühl bedient, alles werde immer schlimmer. Schuldig dafür gemacht werden die Benachteiligten, die angeblich mehr Gutes abbekommen. Politische Kräfte schüren Neid und Zukunftssorgen, um ihre Macht zu sichern. Besser wird dadurch nichts. Wer sich früher engagierte, zieht sich ins Private zurück und erwartet keine bessere Zukunft mehr.
Was hilft gegen den Verdruss? Mir hilft der Spruch, der in der evangelischen Kirche über der neuen Woche steht: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Psalm 103,2). Ich erinnere die Hilfe, die ich schon erfahren habe und was mir im Leben geschenkt wurde! Ich spür dem in meinem Innersten wieder nach! Und dann fallen mir die wunderbaren Dinge ein. Ich werde dankbar für meine positiven Lebenserfahrungen. Dabei geht es nicht um eine rosarote Brille, die eine kritische Sicht verhindert. Es geht um ein Erinnern, das mir hilft, den Blick zu weiten über das, was mir jetzt noch Angst machen will. Gott hat mir doch schon mal geholfen. Er wird auch wieder helfen. Solches Erinnern weckt Hoffnungskraft. Ich werde die Sorge los, zu kurz zu kommen, weil unser Sozialstaat dafür sorgt, dass Arme und Fremde ihre Menschenrechte erleben können. Ich setze mich wieder ein für ein gerechtes Zusammenleben aller. Gott (er)hält ja mein Leben. Dabei ist noch nicht alles gut.
Der Psalm spricht an, was falsch läuft und stellt dem Gott entgegen, „der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit“ (Vers 3-4). Frust verwandelt sich in Zuversicht, weil ich mich an Gott in meinem Leben erinnere. Das stärkt meine Resilienz, meine Widerstandskraft in diesen tatsächlich schweren Zeiten.
Ich wünsche Ihnen diese Erfahrung vom Erinnern zur Hoffnung.

Michael Mertins
Superintendent im Ev. Kirchenkreis Minden
H E R B S T E N *
Herbst anstimmen
Goldene Herbstwärme erwarten
Festkleider der sich in den Winter verabschiedenden Natur bestaunen
Früchte des Jahres ernten
Schwindenden Sonnenzeiten nachsinnen
Entschleunigen synchron mit der Schöpfung – um uns und in uns
Regeneration mit den Früchten des Jahres – den geistigen und naturgewachsenen
Im Prozess der Lese sein – Aussortieren der faulen und Aufbewahren der reifen Früchte
Wärmendes für Herz, Seele, Körper und Geist sammeln – im Wertschätzen von gutem Gewachsenem
Eine ertragreiche Ernte – von erfüllenden Begebenheiten und Begegnungen
Jesus Christus spricht:
Ich bin der Weinstock.
Ihr seid die Reben.
Die in mir bleiben
und ich in ihnen,
tragen viel Frucht.
(Johannes 15,5)
(* ursprünglich: badisch, schwäbisches Wort für die Weinernte/Weinlese)

Iris Rummeling-Becht
Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Marien/Bezirk St. Lukas sowie Vakanzvertretung in Buchholz und Ovenstädt