Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Der Ball rollt…..

Der Ball rollt. Die Fußball-WM wird uns hoffentlich spannende und gute Spiele bringen.; am besten natürlich viele Tore der deutschen Elf. Und gleichzeitig drängt sich die Frage auf: Was wird eigentlich aus dem Sport, wenn er weiter von Menschen gemanagt wird, die nur ein Produkt vermarkten wollen?

Geht es doch in der Vermarktung der WM und bei den politischen Interessen des Gastgeberlandes nicht um die ursprünglichen Ideen von Spiel und Sport. Und die Sportfunktionäre selbst tragen dazu bei, daß die WM immer weniger durch die Aspekte des Sports geprägt wird. Für eine zukünftige Aufstockung der WM-Teilnehmer gibt es kein einziges sportliches Argument, ebenso wenig für eine Vergabe der WM nach Katar. Der Sport wird benutzt von skrupellosen Geschäftemachern.

Ähnliches erleben wir mit der Religion. Das Christentum wird von bestimmten Politikern benutzt, um die Ausgrenzung muslimischer Menschen zu betreiben, weil das in ihr politisches Konzept passt. Deshalb das Kreuz in öffentliche Behörden, Museen, usw. zu hängen, ist ein Hohn auf die Ziele der Religion: Versöhnung über Grenzen hinweg. Dass umgekehrt der Islam im großen Stil für politische Ziele mißbraucht wird, macht das Ganze nicht besser.

Sport und Religion sollen die Begegnung von Menschen fördern, Respekt und Miteinander einüben.

Dafür brauchen Menschen neben den Zwängen des Arbeitslebens einen Freiraum, der nicht von politischen und finanziellen Zielen überlagert werden darf.

Als der Staat in der Zeit des Nationalsozialismus die Kirche für seine Zwecke benutzte, wehrte sich die Bekennende Kirche: Ihr Statement hat heute für die Ev. Kirche Bekenntnischarakter. In der Barmer Theologischen Erklärung steht:

„Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.“

Clemens Becht

Clemens Becht

Pfarrer in der Kirchengemeinde St. Marien, Bezirk St. Lukas

Und plötzlich hatte ich Zeit…

Nach Pfingsten hatte ich eine Woche frei. Viele Pläne hatte ich für diese Woche geschmiedet. Zunächst sollte es mit unserem Wohnwagen nach Belgien gehen. Zwei unserer erwachsenen Kinder wollten meinen Mann und mich begleiten, darüber haben wir uns sehr gefreut. Wir wussten schon, welche Städte wir uns angucken wollten. Der erste Campingplatz nahe Brüssel war auch schon gebucht. In der zweiten Hälfte der Woche wollte ich zu einer Fortbildung in die Pfalz fahren. Die Fahrkarte gab es auch schon. Alles war gut geplant. Und dann, am zweiten Tag in Brüssel, bin ich über eine kleine Bordsteinstufe gestolpert und gestürzt. Ein Fuß wurde dick, die Bänder waren überdehnt. Alle Pläne waren hinfällig. Nun saß ich am Wohnwagen, kühlte den Fuß – und hatte Zeit. Einfach Zeit. Die Fortbildung musste ich absagen. Die Fahrt mit dem Zug über Hunderte von Kilometern traute ich mir in der Verfassung nicht zu. Klar war ich ein bisschen neidisch, wenn die Anderen abends von ihren Erlebnissen in den Städten Flanderns erzählten. Doch ich hatte Zeit, unverplante Zeit, tagelang. Und es war ein Geschenk, einfach dazusitzen, draußen in der Natur Vögel und Kaninchen zu beobachten, zu lesen, zu schlafen. Kein Plan, nur Zeit – und abends bekam ich eine Pizza mitgebracht. Es gibt ein Wort: „Der Mensch denkt und Gott lenkt.“ In Langform steht das in den Sprüchen Salomos (16,9): „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt.“ Eine Kollegin sagte dann bei meiner Rückkehr nach Minden, „da hat Gott Dir den verknacksten Fuß geschickt, um Dich zu entschleunigen.“ Wahrscheinlich ist das so, dass wir manchmal jemanden brauchen, der uns auf das stupst, was uns gut tut. Am letzten Tag bin ich dann doch noch nach Gent hineingefahren mit den Anderen. Ich habe mit leuchtenden Augen diese wunderschöne Stadt bestaunt und akzeptiert, dass mein Fuß wieder ein bisschen mehr anschwoll. Doch dieses Geschenk der unverplanten Zeit möchte ich nicht vergessen, und hoffentlich brauche ich in Zukunft dazu nicht wieder einen verknacksten Fuß.

Sabine Bade

Sabine Bade

Pfarrerin, Gemeindepfarrerin am Martin-Luther-Haus, Bezirk v. St. Marien, Minden

Höher – schneller – weiter

„Endlich Frühling!“, so wird so mancher denken. Auch wenn das gelegentlich wechselvolle Wetter noch nicht durchgängig zur sonnigen Stimmung führt, so gilt der Mai doch zur Recht als der Monat des Erblühens der Pflanzen, des Erwachens der Natur. Morgens schon vom Zwitschern der Vögel geweckt zu werden, ist für mich immer ein Zeichen der Lebensfreude im Frühjahr. Und schon morgens hinauf in einen blauen Himmel zu sehen, macht mir Lust auf einen erfüllten Tag.
Wenn es irgendwie die Zeit zulässt, dann zieht es mich in diesen Tagen auf das Rennrad. Dabei geht es mir nicht um das Anfahren touristischer Ziele oder das gemütliche Radelerlebnis. Ziel ist die Erfahrung körperlicher Leistungsfähigkeit, die sich niederschlägt in Höhenmetern, Entfernung und Geschwindigkeit. Höher, schneller, weiter! Es ist der Kampf, allein auf der Straße, Mann und Material! Der Weg wird für mich dann zur Herausforderung, wenn es bergauf geht und ich mit kräftigen Pedalschlägen eine Passstraße erklimme. Ein Hang ist für mich eine Versuchung, ein Angebot: die steile Straße ist mein Freund und die unmittelbare Erfahrung auf den dünnen Reifen, die jede Unebenheit der Straße sofort zurückmelden, das filigrane, kunstvoll konstruierte Rad, das jedes Aufbäumen der Kräfte in Vortrieb, jedes Zurücknehmen in sofortige Verzögerung umwandelt und das Brennen der Oberschenkelmuskeln, die im perfekten Zusammenspiel die Steigung buchstäblich erfühlen, durchfühlen, diese Erfahrung zieht mich aus der bequemen Ebene immer wieder auf die Rampen der Hügellandschaft des Wiehengebirges. Wenn ich dann auf dem Hügelkamm bin, die Straße flacher wird und wieder beginnt abzufallen, dies sind für mich auch geistliche Momente. Nahe dem offenen Himmel sein! Es ist vollbracht, das Werk ist getan! Der Geist war stark!
Am letzten Sonntag feierten die Christen unserer Stadt das Hochfest Pfingsten. Nach seiner Erlösungstat durch seinen Tod am Kreuz ist der Herr immer wieder als der Auferstandene den Jüngern und vielen weiteren Menschen erschienen. Es brauchte Zeit, Momente der Begegnung, des Berührens, des Sich-berühren-lassens, um diese tiefe Wahrheit ins Herz dringen zu lassen. Nun ist für Christus das Werk getan, der Lauf vollendet, der steile Hang seiner irdischen Existenz erklommen. Auch dieser Weg musste erkämpft, erfühlt, durchfühlt werden, um erfüllt zu sein. Und der sich öffnende Himmel, in den er aufstieg und vor
den Augen der Jünger verschwindet: er ist eine Verheißung der Heimat, auf die wir zugehen, die aber auch auf uns im Gekreuzigten zugeht!
Pfingsten bedeutet, dass er und der Vater, was wir im filioque des Glaubensbekenntnis bekennen, im Heiligen Geist gegenwärtig unter uns bleiben. Christliches Leben gelingt dann, wenn wir uns der lebendigen Präsenz des Heiligen Geist in unserem Denken, Beten, Handeln, Fühlen und Erhoffen, in unserer konkreten Be-Geisterung bewusst sind. Dazu braucht es aber auch immer wieder die Gabe der Unterscheidung der Geister, wie der Hl. Ignatius es uns lehrt.
Auch unser Lebensweg muss erfühlt, durchfühlt werden. Es ist unsere Hoffnung, dass er letztlich durch das Geheimnis der Auferstehung des Herrn, im unverdienten Geschenk des Heiligen Geist beim Vater erfüllt sein wird.
Ich wünsche Ihnen sonnige Tage und immer wieder neu die Gaben des Heiligen Geistes!

David F. Sonntag

David F. Sonntag

Pastor am Dom zu Minden