Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Wort zum Sonntag 26.10.2025

Liebe Leser und Leserinnen,

der christliche Glauben ist nicht einfach nur eine Weltanschauung oder eine Tradition, die wir mit uns tragen. Es ist eine lebendige Kraftquelle – die uns im Alltag trägt und hindurchträgt.

Gerade dann, wenn die Zeiten schwer sind, die Aufgaben uns über den Kopf zu wachsen drohen, die Sorgen groß und schwer liegen. Der Glaube hilft, weil ich das Gefühl geschenkt bekomme, ich muss das alles nicht allein ertragen. Da ist einer an meiner Seite, der steht das mit mir durch. Er wird mich nicht fallen lassen, sondern er fängt mich auf mit all meinem Kummer und meinem Schmerz. Jesus selbst lädt uns ein: „Kommt her alle die Ihr mühselig und beladen seid; ich will Euch erquicken.“ Die Familie, der kleinste Pflegedienst der Stadt, kann gelegentlich an seine Grenzen stoßen. Überforderung macht sich breit und der Körper sendet Warnsignale.

Und dann sind da auch die, die in der Pflege oder Betreuung arbeiten. Bei Kirche und Diakonie trägt man ein besonderes Selbstverständnis mit sich. Man will nicht nur pflegen oder anderen etwas Gutes tun, sondern auch Licht und Salz sein. (Matthäus 5,13-14) Auch das Umfeld hat diese Erwartungshaltung längst kommuniziert:  Diakonie und Kirche muss das machen, dafür sind die da! Dieser Anspruch macht schon enormen Druck und diese Rolle kann zu einer schweren Last werden.

Ich gebe aber zu bedenken,

auch“ Samariter“ brauchen Zeiten des Ausruhens, der Klage und des Gehaltenwerdens. Denn unsere Stärke kommt nicht aus uns selbst, sondern von dem der uns trägt. Christus erwartet von uns nicht Superkräfte. Es ist keine Schande, nicht immer zu leuchten. Er will uns helfen, wenn wir matt und müde werden. Er tritt mit uns in eine Beziehung und lädt uns ein ihm zu vertrauen: „Ich bin der gute Hirte, der gute Hirte lässt sein Leben für seine Schafe.“ Dieser Hirte sieht uns an- kennt alle unsere Schwächen und Grenzen. Das macht den christlichen Glauben so anziehend. Er ist keine zusätzliche Last, sondern die Kraft, die uns entlastet.

Bleiben Sie behütet

Schwester Andrea Brewitt

Schwester Andrea Brewitt

Oberin der Schwesternschaft der Diakonie Stiftung Salem

„Vergiss das Danke nicht“ – Impuls zum Sonntagsevangelium (Lk 17,11–19)

Kennen Sie das auch? Wir wünschen uns sehnlichst, dass etwas gelingt: die OP der Mutter, das x-te Vorstellungsgespräch, der ersehnte Anruf. Und wenn es gut ausgeht, fällt der Druck ab, der Kalender füllt sich – und wir rennen weiter. Das Danke bleibt irgendwo zwischen Supermarkt und nächstem Termin liegen.

 

Vom Umkehren erzählt das heutige Evangelium: Zehn schwer Erkrankte werden heil. Nur einer hält inne, dreht um – und dankt. Nicht „der Medizin“, nicht „dem Glück“, sondern Gott. Er fällt vor Jesus nieder und lobt Gott mit lauter Stimme. Jesu Frage brennt: „Wo sind die neun?“

 

Warum diese Schärfe? Weil Dankbarkeit hier mehr ist als gute Manieren. Sie ist Gottesbeziehung. Wer dankt, erkennt an: ich verdanke mein Leben nicht nur meinem Können, sondern einem größeren Du. Dank heißt: Ich bin gehalten. Ich werde gesehen. Ich muss die Welt nicht allein stemmen. Aus Anspruch wird Anbetung, aus Selbstverständlichkeit wird Staunen.

Natürlich gehört die zwischenmenschliche Dankbarkeit dazu – sie macht uns feinfühlig und fair. Aber das Evangelium geht einen Schritt weiter: Es ruft uns, den Blick zu heben. Nicht nur „Danke, dass es gut gegangen ist“, sondern „Danke, Gott, dass Du mich getragen hast“. Dieses Danke ist nicht naiv, ignoriert Schmerzen und Brüche nicht. Es ist die Entscheidung, Gott mitten im Unvollkommenen zu ehren.

 

Vielleicht ist dieser Sonntag eine Einladung, es dem einen Geheilten gleichzutun: Umdrehen, für einen kurzen Augenblick. Anhalten. Atmen. Und sagen: „Gott, danke für das Gelungene. Danke für die Kraft, die ich nicht aus mir hatte. Danke für die Menschen an meiner Seite. Danke, dass Du nicht fern bist.“ Eine solche Dankbarkeit macht weit. Sie erdet und richtet auf. Wer so dankt, wird nicht kleiner, sondern freier. Vielleicht probieren wir’s diese Woche aus: ein kleines Umkehren – und ein bewusstes „Danke, Gott“. Es verändert mehr, als man denkt.

Michaela Langner

Michaela Langner

Gemeindereferentin des Pastoralverbundes Mindener Land

Staunen wie ein Kind

Liebe Leserinnen und Leser,

neulich war ich an der Weser unterwegs. Vor mir lief ein kleines Mädchen mit roten Gummistiefeln. Sie blieb immer wieder stehen, um Blätter aufzuheben – rote, gelbe, braune. Dann pustete sie sie in die Luft, lachte und rief: „Guck mal, die tanzen!“ – und tatsächlich: die Blätter wirbelten herum, als hätten sie nur darauf gewartet.

 

In diesem Moment habe ich mich gefragt: Kann ich mich noch so freuen und so staunen wie ein Kind? Über ein Blatt, eine Pfütze, eine Birne in der Hand?

 

Erntedank lädt uns dazu ein, genau das wiederzuentdecken: Staunen über das Kleine. Freude an den einfachen, aber wichtigen Dingen, die nicht selbstverständlich sind.

Der Schriftsteller Theodor Fontane hat einst ein schönes Bild dafür gefunden. Vermutlich erinnern Sie sich an den Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, der den Kindern, wenn sie vorbeikamen, seine Birnen schenkte.

 

„Und kam die goldene Herbsteszeit,

und die Birnen leuchteten weit und breit,

da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,

der von Ribbeck sich beide Taschen voll.“

 

Der Apostel Paulus schreibt: „Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind.“ 1 Kor 13,11a

 

Wir wissen: Erwachsenwerden heißt Verantwortung tragen, Entscheidungen treffen, auch Sorgen und Lasten zu kennen. Aber die Bibel erinnert uns daran, dass in unserem Kindsein etwas Wertvolles liegt – das Staunen, die Leichtigkeit, die Freude an den kleinen Dingen. Vielleicht ist das Geheimnis kindlicher Freude: nicht das Haben, sondern das Staunen über sie.

 

Wenn im Gedicht der Birnbaum auf Ribbecks Grab im Herbst wieder lacht und die Kinder fröhlich macht, dann erinnert mich das an das „kindliche Ich“, das nicht verloren, sondern tief in uns verwurzelt ist. Öffnen wir uns für das Staunen, für die Dankbarkeit, für die Freude, die Gott in unser Leben legt, in die kleinen Dingen, die wir so oft übersehen.

 

Das kleine Mädchen mit den roten Gummistiefeln war ganz in dem Moment versunken. Irgendwann sprang sie mit beiden Füßen mitten in eine große Pfütze, dass das Wasser nur so platschte. Sie lachte, als hätte sie das größte Geschenk bekommen. Und ich dachte still bei mir: Vielleicht ist genau das die Einladung von Erntedank – mit offenen Augen und offenem Herzen durch die Welt zu gehen, die kleinen Wunder zu feiern und dankbar zu teilen, was wir haben. Amen.

Naela von Storch

Naela von Storch

Pfarrerin, Evangelische Kirchengemeinde Barkhausen