Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Gedanken zum Sonntag

Um ehrlich zu sein, ich fühle mich ein wenig erschlagen. Erst vor wenigen Wochen reißen die Wassermassen der Flutkatastrophe die Fundamente ganzer Städte ein, von Tag zu Tag steigen die Inzidenzzahlen hier in Minden und deutschlandweit wieder rasant an. Zugleich nimmt der Wahlkampf der kommenden Bundestagswahl Fahrt auf. Die Welt steht schon Kopf und dann kommen auch noch diese furchtbaren Ereignisse in Afghanistan hinzu. Mich überfordert das.
Mit dieser Gefühlslage lese ich dann den Wochenspruch: „Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40b)
Er weist darauf hin, dass sich unser Handeln vor allem an unserem Umgang mit anderen, mit Benachteiligten, mit Geringen, ja sogar mit Fremden messen lassen muss. Er überträgt uns damit die Verantwortung, nicht wegzusehen, wenn Unrecht geschieht, sondern tätig zu werden an unseren Nächsten.
In Anbetracht dessen, was sich im Nahen Osten gerade abspielt, klingt das nach einer untragbaren, zu großen Verantwortung.
Was also gilt es nun zu tun?
Ich höre in den Gemeinden verschiedene Meinungen. Ich nehme wahr, dass viele Menschen Befürchtungen haben, wenn sie an erneute Flüchtlingsbewegungen denken. Haben wir hier in Minden überhaupt die notwendigen Kapazitäten weitere Geflohene willkommen zu heißen? Bereits während des Flüchtlingsstroms 2015 hat Minden sehr engagiert reagiert und über 1000 Menschen aufgenommen und begleitet. Geht das erneut oder sprengt es das uns Mögliche?
Diese Befürchtungen gilt es selbstverständlich ernst zu nehmen und in den kommenden Entscheidungen zu berücksichtigen.
Und dennoch müssen meiner Meinung nach Deutschland und die Weltgemeinschaft jetzt handeln. Wir haben in den vergangenen 20 Jahren Verantwortung in Afghanistan übernommen. Gerade deshalb ist es jetzt auch an uns, einen solidarischen Beitrag zur Bewältigung der Folgen zu leisten, indem wir dafür sorgen, dass Menschen, denen die Flucht aus Afghanistan gelingt, menschenwürdige Aufnahme finden.

Alexander Möller

Alexander Möller

Vikar der Ev.-Luth. St.-Martinigemeinde Minden

Gedanken zum Sonntag

Am 18. April jährte sich zum 500. Mal Martin Luthers Auftritt beim Reichstag zu Worms. Vor Kaiser und Spitzen von Staat und Kirche bekannte er sich zum evangelischen Verständnis christlichen Glaubens. Dafür riskierte er sein Leben. Was gab ihm Mut, so einzustehen?

Er selbst nannte „die klaren Vernunftgründe“ und sein „Gewissen“, das an den Aus­sagen der „heiligen Schrift“, der Bibel, ausgerichtet war. Dagegen kam selbst der Kaiser nicht an. So wurde Luther zum Wegbereiter unserer Gesell­schaft, in der staatliche Macht durch Vernunft und das Gewissen des/r Einzelnen begrenzt wird.
Der Mensch heute braucht beides, Vernunft und Gewissen: Gewissen ohne Vernunft wird Aberglauben, der ängstigt statt befreit. Vernunft ohne Gewissen wird zur Privatsache, die sich nur noch um sich selbst sorgt. Aktuell scheint es in Teilen der Gesellschaft an beidem zu fehlen: Menschen verweigern die Covid-19-Schutz­impfung aus Angst vor staatlicher Überwachung oder den Chips von Bill Gates – es fehlt an Vernunft. Andere lehnen die Impfung wegen befürchteter Neben­wirkungen ab – es fehlt an Gewissen. Denn die Impfung soll nicht nur mir sondern auch meinen Mitmenschen dienen. Verantwortung habe ich nicht nur für mich alleine. Christliches Gewissen, das wie bei Luther an der Bibel orientiert ist, weiß ja, wie Jesus den Willen Gottes für alle Menschen zusammen­fasst: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ (Markus 12,31 und 3. Mose 19,18). Dem entspreche ich, wenn ich mich gegen Corona impfen lasse: Ich tue damit der Ge­sundheit meines Nächsten ebenso Gutes wie mir selbst. Mit der Impfung folge ich nicht nur dem Ge­wis­sen, das sich an der Bibel ausrichtet. Ich folge auch der menschlichen Vernunft, den Ergebnissen der Wissenschaft. Impfverweigerung aber ist Angst oder Unvernunft – früher oder später macht beides unfrei und lebt auf Kosten der anderen.
Deshalb bitte ich Sie, sollten Sie noch zweifeln: lassen auch Sie sich impfen!
Ich bin froh und dankbar, dass ich geimpft bin.

Michael Mertins

Michael Mertins

Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Minden

Der Blick von oben – nicht nur für Millionäre

Am zweiten Juli-Wochenende feierte der Milliardär und vielseitige Unternehmer Richard Branson (Musikindustrie, Eisenbahn, Raumfahrt) seinen Triumph: Er genoss den Blick auf die Erde, als er in 80 Kilometern Höhe die Schwerelosigkeit gespürt hatte und ließ sich so zitieren: „Was haben wir nur für eine schöne Erde!“ Und: „Wenn unsere Generation so etwas erreichen kann, was wird dann erst die nächste schaffen!“ Schnell wiesen die Beobachterinnen und Journalisten darauf hin, dass Richard Branson da gerade seine Milliardärskollegen und -konkurrenten ausgestochen hatte. Jeff Bezos, der Amazon-Gründer und Elon Musk, der Mitgründer des Bezahldienstes PayPal, des Raumfahrtunternehmens SpaceX und des Elektroautoherstellers Tesla bauen nämlich gleichfalls ihre Form von Weltraum-Tourismus auf. Der 70jährige Richard Branson wies denn auch auf die Möglichkeit hin, bald für schlappe 250.000 Dollar Flüge an den Rand des Weltraums buchen zu können. Fast am selben Tag sah ich einen kurzen Bericht über die möglichen Folgen der sogenannten Kondensstreifen für unsere Atmosphäre, den Flugzeuge am Himmel hinterlassen können. Auch sie stehen im Verdacht, mit dem Kohlendioxidausstoß und reichlichem Methan den Treibhaushauseffekt für unsere Erde zu verstärken. Super-Geschichte also: Künftig können sich Superreiche einen Trip leisten, um dann für ein paar Minuten über die Erde zu staunen. „Man gönnt sich ja sonst nichts.“ Geht es wohl noch? Im ersten Kapitel der Bibel, in 1. Mose 1 heißt es am Ende der Schöpfungsgeschichte: „Und Gott ruhte und sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ Da werden Judenheit und Christenheit, eigentlich alle Menschen gleich zu Anfang in der Hebräischen Bibel eingeladen, die Erde als etwas Wunderbares anzusehen. Im nächsten Kapitel erhalten die Menschen dann den Auftrag, den „Garten zu bebauen und zu bewahren“. Schade, wenn das vielen Menschen mangels Bibel-Lektüre und Religionsausübung nicht mehr bekannt ist. Wie wir das Leben anschauen – das ist eine Grundsatzfrage. Ich jedenfalls plane keinen Banküberfall, um mir dann einen kleinen Weltraum-Trip leisten zu können. Ich habe, wenn Sie diese Zeilen lesen, womöglich kürzlich den Blick auf die Nordsee genossen und köstliche Luft inhaliert – ohne Viertelmillion-Ticket.

Pfarrer Dr. Jörg Bade

Pfarrer Dr. Jörg Bade

Pfarrer und Religionspädagoge am Leo-Sympher-Berufskolleg