Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Advent – „Kreatives Warten“

„Wann ist endlich Weihnachten?“, ich höre noch gut das Gequengel meiner Kinder. Viele Jahre ist es her. Und die Antwort war dieselbe, wie sie auch heute immer wieder Eltern zu ihren Kindern sagen: „Du musst noch ein bisschen Geduld haben.“ Aber das mit der Geduld ist gar nicht so einfach.  Wieso kann es denn nicht einfach jetzt soweit sein?“
Ja, sich gedulden zu müssen und zu warten fällt nicht nur vielen Kindern, sondern auch uns Erwachsenen schwer. Dabei steckt im Warten, so schwer es auch fallen mag, auch eine gespannte Konzentration auf das Kommende. Plätzchen backen, Adventskranz schmücken, Kerzen und Lichterketten im Haus verteilen, Familientraditionen pflegen und nicht zuletzt am Adventskalender Tag für Tag ein weiters Türchen öffnen. All das macht Freude und bringt positive Spannung in das Warten auf Weihnachten hinein.
Geduldig zu sein heißt „kreativ zu Warten“ auf das wirklich Wichtige:
Jesus kommt hinein in unsere Welt, Gott persönlich ist zu uns unterwegs, er möchte uns begegnen und teilhaben an unserem Leben, an den schönen und den schweren Dingen. Gott möchte uns umfangen mit seiner Liebe, seiner Fürsorge und seiner Hoffnung.
Advent heißt: Gott kommt in die Welt. Und ich bin hier, damit er mich findet. Mit allem, was ich mit mir trage. Mit all den Bildern und Gefühlen der letzten Woche. Hier bin ich, Gott, komm Du auch zu mir!
Dann kann  ich einstimmen in das bekannte Advent und Weihnachtslied (EG 13):

  1. Tochter Zion, freue dich,/ jauchze laut, Jerusalem!/ Sieh, dein König kommt zu dir,/
    ja er kommt, der Friedefürst./ Tochter Zion, freue dich,/ jauchze laut, Jerusalem!
  2. Hosianna, Davids Sohn,/ sei gesegnet deinem Volk!/ Gründe nun dein ewig Reich,/ Hosianna in der Höh!/ Hosianna, Davids Sohn,/ sei gesegnet deinem Volk!
  3. Hosianna, Davids Sohn,/ sei gegrüßet, König mild!/ Ewig steht dein Friedensthron,/ du, des ewgen Vaters Kind./ Hosianna, Davids Sohn,/ sei gegrüßet, König mild!
Thomas Pfuhl

Thomas Pfuhl

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Martini, Bezirk Erlöserkirche

Reiß den Himmel auf!

​In diesem Jahr ist mir in der Vorbereitung zum Advent ein Lied zum liebsten geworden, das wohl zu den unbekanntesten Adventsliedern gehört, jedenfalls in keinem Einkaufscenter und nur auf seltenen Radiokanälen zu finden ist.
„O Heiland, reiß die Himmel auf!“ – Warum? Es fallen Worte darin wie „Herab vom Himmel lauf!“, „O Heiland, aus der Erde spring!“, „In Finsternis wir alle sind“, „Wo bleibst du Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal!“, und „Hier leiden wir die größte Not!“
Alles prophetische Sehnsuchtsworte aus dem ersten Testament. Damals wie heute in einer in großen Teilen völlig perversen Welt…
Auch wenn wir sie selbst gerade nicht persönlich erleiden, aber diese Not nicht nur der Klima- und Wirtschaftskrise, sondern die Not der Kriege, des Hasses, des Terrors, der Folter, von Missbrauch und sexueller Belästigung, springt uns so gegenwärtig und präsent, widerwärtig und grausam an, dass wir sie selbst in unseren Gliedern und Seelen zu spüren beginnen.
Friedrich von Spee schrieb dieses Lied. Als er lebte, war es auch eine Zeit voller Gewalt und Terror, der Krieg, der 30 Jahre währen sollte, begann. Es war eine Zeit der Verrohung der Moral, der Gewalt, der Verelendung, Pest und Tod gingen um. Im Namen Gottes wurde gefoltert und getötet.
Unsere Gegenwart ist wie ein Remake der Zeit im 17. Jahrhundert. Friedrich von Spee dichtete das Lied und zehn Jahre später rief und flehte er nicht nur mehr, sondern schrieb zudem sein entschiedenes Plädoyer über das Unrecht der Hexenprozesse und -verbrennungen die „Cautio Criminalis“, gegen das System von Folter und Wahn, Hass und Mord an Unschuldigen im Namen Gottes.
Wir sehnen uns in diesem Advent nach Gott, dem Heiland, der den Himmel aufreißt und kommt und dem ganzen Irrsinn ein Ende bereitet – wie auch immer. Ich sehne mich auch. Aber meinen Mund halte ich sicher auch nicht mehr. Adventliche Grüße!

Volker Niggemann

Volker Niggemann

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Marien, Bezirk St. Matthäus

Erinnerungen

​Eine verstorbene Verwandte pflegte gerne zu „sparen“. Sie kaufte ganz viele Kleidungsstücke für ihre Kinder und die ganze Großfamilie zum Sonderpreis ein und rechnete uns dann vor, wieviel Geld sie doch beim Einkauf gespart habe. Beim Einkaufen erinnere ich mich an sie und nehme mir lächelnd vor, auch ganz viel zu „sparen“.
Gerade die kleinen Dinge des Alltags sind es oft, die mich an die Verstorbenen erinnern. Wie derjenige am Fenster gestanden hat und gewunken hat oder liebevoll den Garten gepflegt hat. Die Vorlieben beim Essen, die Lieblingsthemen bei Gesprächen, die kleinen Marotten und Gewohnheiten.  Die inneren Bilder bleiben mit uns und gehen mit uns durch das Leben. Wenn wir uns Geschichten von früher erzählen, dann fühlen wir uns den Verstorbenen nah. Die Erinnerungen schmerzen, aber es ist auch schön, sie zu haben.  Manchmal bricht in Gesprächen Heiterkeit aus, wenn es um besondere Aussprüche des Verstorbenen geht. „Ja, genau, und dann hat sie immer gesagt…“
Am morgigen Sonntag ist in der evangelischen Tradition Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt. Die Namen der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres werden in den Gottesdiensten vorgelesen und Kerzen für sie angezündet, Angehörige besuchen die Gräber, Posaunenchöre spielen auf den Friedhöfen.
So wie die Erinnerungen bleiben, bleibt auch der Name jedes Menschen. Beim Propheten Jesaja heißt es: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. (Jes.43, 1)
Wir rufen die Namen vor Gott aus, weil er uns beim Namen ruft. Er kennt uns und gibt uns nicht verloren, auch nicht im Tod.  Wir können darauf vertrauen, dass wir die Verstorbenen gehen lassen können in das Licht der Ewigkeit.
Ich wünsche Ihnen Trost und Licht im trüben November!

Mirjam Philipps

Mirjam Philipps

Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Windheim